RB: Was gehört zu den schönsten Aufgaben im Katholischen Bildungswerk?
Andreas G. Weiß: Für mich ist das die Arbeit in den Regionen. Mit Themen in die Pfarren zu gehen, sie weiterzugeben und Diskurse anzustoßen, ist schön. Es gibt so viele Engagierte, die sich in die kirchliche Erwachsenenbildung einbringen. Man spürt einfach die Energie. Hier kann ich mir Motivation holen. Ich lerne auch ganz viel von den Menschen. Das ist wie eine Echokammer für mich, die mir hilft, meine persönlichen Gedanken, Ansichten, Theorien einzuordnen und dann das eine oder andere Mal zu modifizieren.
RB: Ist das Katholische Bildungswerk als „kirchlicher Nahversorger“ in der ganzen Erzdiözese präsent?
Weiß: Wir sind in mehr als 80 Prozent der Pfarren vertreten. Und ja, wir verstehen uns als Bildungsnahversorger. Wir bringen Experten und Expertinnen in die Regionen. Wir bringen gleichzeitig Fragen und Anstöße der Menschen wieder ins Zentrum der Kirche. Das ist eine Wechselbeziehung, ein beidseitiger Dialog.
RB: Die örtlichen Einrichtungen leiten Ehrenamtliche. Finden sich genügend Engagierte?
Weiß: Häufig ist von der Krise des Ehrenamts die Rede. Es gibt schon Orte, an denen es schwierig ist, doch insgesamt funktioniert es bei uns gut. Die Ehrenamtlichen haben eine große Freiheit, das schätzen sie. Wir begleiten sie professionell, aber ihre Schwerpunkte und ihr Bildungsprogramm können sie in den Pfarren selber gestalten. Das hat eine große Bandbreite zur Folge. Die katholische Vielfalt sehen wir als unseren Auftrag. Wir möchten Ermöglicher sein. Das Katholische Bildungswerk bietet Räume, in denen Menschen zusammenkommen. Sie dürfen gern unterschiedlicher Meinung sein. Es ist wichtig für unsere Gesellschaft, dass wir wieder lernen, Debatten auszutragen. Wir müssen miteinander ins Gespräch kommen, unterschiedliche Standpunkte aushalten und der Vielfalt Platz geben.
Neben den Ehrenamtlichen haben wir hauptamtlich Mitarbeitende. Wir sind im Treffpunkt Bildung ein fünfzehnköpfiges Team, das mehr als 300 örtliche Einrichtungen, also Bildungswerke, Eltern-Kind-Zentren und Frauentreffs mit rund 1.300 Ehrenamtlichen „serviciert“. Sie ermöglichen jährlich 5.000 Veranstaltungen.
RB: Wo liegen derzeit die Trends bei den Bildungsangeboten?
Weiß: Neben Glaubensthemen, Um-welt oder Gesundheit sind bei uns nach wie vor Eltern- und Frauenbildung sehr wichtig. Extrem gut gebucht war vergangenes Jahr ein Referent mit einem Pilger- und Berufungskabarett. Sehr gut angenommen wurde der Vortrag eines pflegenden Angehörigen, der über Demenz gesprochen hat. Das zeigt, Expertenwissen ist wichtig, Authentizität mindestens genauso.
Wir dürfen Menschen nicht nur als Empfänger einer Botschaft sehen, sondern als Mitgestalter mit Kompetenzen.
RB: Wie ist es insgesamt um die kirchliche Bildungsarbeit bestellt?
Weiß: Kirchliche Erwachsenenbildung ist ja erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts so richtig angestoßen worden. Wir hatten eine Phase der Euphorie, des großen Engagements und zuletzt der Professionalisierung mit Qualitätsmanagement sowie modernen und effizienten Organisationsformen. Wir sind, das kann man schon sagen, als Vorreiter dabei. Das gilt auch für die Art und Weise wie Themen an den Mann und die Frau gebracht werden: menschenfreundliche Bildung, Kommunikation auf Augenhöhe und Wertschätzung. Ich glaube, Bildung funktioniert nur so. Wir dürfen die Menschen nicht nur als Empfänger einer Botschaft sehen, sondern als Mitgestalter mit Kompetenzen. Das gehört noch verstärkt, die Potenziale müssen weiter freigelegt werden. Bildung kann so ein großer Motor für eine Kirche der Zukunft sein.
RB: „Kirche braucht Bildung“ heißt Ihr neues Buch. Mit welcher Motivation haben Sie es geschrieben?
Weiß: Es gibt viele Bücher, die sagen, warum Mensch und Gesellschaft Bildung brauchen, warum Bildung politisch oder wirtschaftlich wichtig ist. Ich möchte unterstreichen, Bildung ist auch für die Kirche kein Anhängsel oder eine Zusatzleistung. Bildung gehört zur Botschaft der Kirche.
RB: Bildung ist also Aufgabe der Kirche?
Weiß: In meinem Buch habe ich das von verschiedenen Perspektiven her aufgedröselt. Einerseits ist es ein Anstoß, der von Jesus selbst ausgeht. Jesus hat seine Jünger gelehrt, jedoch nicht wie jemand, der ihnen fertige Antworten gibt. Er hat sie mit Gleichnissen inspiriert. Und er hat ihnen gesagt: Jetzt geht hinaus und verkündet. Ihr seid nicht allein, ihr habt meinen Beistand. Hier sind wir schon beim Punkt. Die Kirche ist von ihrer Sendung her, von Jesus selbst, kein System, das in sich geschlossen ist. Die Kirche ist ein System, das offen sein muss. Wenn ich ein System nach außen bringen will, muss ich Grenzen überschreiten. Ich muss bereit sein, in neue Bereiche zu gehen. Ich muss anderen Menschen begegnen, ich muss neue Kreise erschließen. Dafür brauche ich ganz viel Kommunikation, Begegnungsbereitschaft, Sprachgefühl und Wissen über mein Gegenüber. Ich brauche Bildung.
Bildung ist immer mit einem gewissen Risiko verbunden. In jedem Bildungsprozess gehe ich das Risiko ein, vielleicht ganz verwandelt herauszukommen. Bildung ist aber genauso ein Reich an Möglichkeiten, an Neuem und an noch nicht Dagewesenem. Ich glaube, so etwas braucht die Kirche für ihren Auftrag.
Ein weiterer Punkt ist, die Kirche muss selbst lernen. Anders ausgedrückt: Die Kirche muss Lernende sein, damit sie Lehrende sein kann. Wenn also jemand sagt, Bildung ist kein Grundauftrag der Kirche, dann ist meine Antwort deutlich: Bildung ist der Bedingungsgrund für alle Grundaufträge der Kirche.
wissenswert
Andreas G. Weiß (37), Seit 2016 im Katholischen Bildungswerk, steht mit 1. September an der Spitze des kirchlichen Bildungsanbieters in der Erzdiözese. Der Theologe und Philosoph ist gebürtiger Schwarzacher. Er hat die Leitungsaufgabe von Andreas Gutenthaler übernommen.
Christentum ohne Bildung? In seinem Buch macht Andreas Weiß deutlich, warum sich Glaubensverkündigung und kirchliche Gemeinschaft nicht ohne Bildungsauftrag verstehen lassen. Vormerken: Buchpräsentation am Do., 7. November, 18.30 Uhr, Buchhandlung Motzko, Salzburg.
Andreas G. Weiß, Kirche braucht Bildung, Ein Plädoyer, Verlag Herder, 2024, 160 S., ISBN 978-3-451-39735-6.
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