Salzburg. Theologin Michaela Sohn-Kronthaler (Uni Graz) spricht beim Symposium über Ledóchowska als „Powerfrau“ des 19. Jahrhunderts „im zeitgenössischen Kontext“.
RB: Wie würden Sie die Ordensgründerin in der damaligen Zeit einordnen – auch als Frau, die sich im 19. Jahrhundert in einer Männerdomäne für Medien, Menschenrechte und anvertraute Menschen (Investition in die Feuerwehr) eingesetzt hat?
Michaela Sohn-Kronthaler: Der damalige „Ordensfrühling“ war eine Blütezeit, in der viele Kongregationen entstanden sind. Maria Theresia Ledóchowska reiht sich als Gründerin unter mehreren Frauen ihrer Zeit ein. Sie verbinden die geistliche Berufung mit einem Beruf, wie die Schulschwestern, die etwa in Oberösterreich und der Steiermark bekannt sind. Viele Mädchen vom Land sind in diese Kongregationen eingetreten und zum Beispiel in der Pflege oder Kinderbetreuung ausgebildet worden. Diese Frauen haben der Kirche ein Gesicht gegeben. Der Frauenordensfrühling war ein spezielles Phänomen.
Sie war hochbegabt, begeisterungsfähig, eine Gottsucherin.
RB: Wer war Maria Theresia Ledochówska für Sie? Was fasziniert Sie an dieser Persönlichkeit?
Sohn-Kronthaler: Die Frauen, die damals einen Orden gegründet haben, besitzen ein außerordentliches Organisationstalent. Das fasziniert mich auch an Ledóchowska. Sie war, was das Schreiben betrifft, hochbegabt und insgesamt eine Frau mit vielen Talenten, die sie nicht vergraben, sondern eingesetzt hat. Mit anderen Kongregationsgründerinnen hatte sie gemeinsam, dass sie begeisterungsfähig waren. Maria Theresia Ledóchowska war eine Gottsucherin. Sie hätte als Adelige ein bequemes Leben führen können. Das hat sie aber nicht getan. Sie war mit großer Leidenschaft erfüllt, hat nicht nur geredet, sondern letztlich auch gehandelt.
Sie hatte Courage in dieser von Männern dominierten Welt.
RB: Wie sehen Sie die Ordensgründerin heute? Was können wir von ihr lernen?
Sohn-Kronthaler: Großartig ist der wache Blick. Sie war zwar nie selbst in Afrika, aber sie war im Austausch mit den Missionarinnen und Missionaren, um für die Würde der Menschen, damit verbunden die Würde der Kinder, sowie gegen Ungerechtigkeit einzutreten. Sie hatte Courage in dieser von Männern dominierten Welt. Sie hatte ein gutes Einvernehmen mit der kirchlichen Spitze. Die geistliche Berufung und die Form, diese in einer Ordensgemeinschaft zu leben, lagen bei ihr in der Familie. Man würde heute sagen, sie war eine Powerfrau. Sie hat mit wenig und mit großem Gottvertrauen begonnen. Sie war überzeugt von der Sache – und es gelang. Daraus lässt sich heute lernen, dass mit ganzem Einsatz des Lebens etwas daraus werden kann. Maria Theresia Ledóchowska wurde von der Hofdame zur Ordensgründerin.
RB: Was erwartet die Menschen beim Symposium und wie definieren Sie den „zeitgenössischen Kontext“, der im Titel Ihres Vortrags angegeben ist?
Sohn-Kronthaler: Ich versuche ihre Motive einzubetten in den Kongregationsfrühling. Eine noch offene Frage ist, was es für die Erzdiözese Salzburg bedeutet hat. Letztendlich hat aber der Anteil der Frauen in Ordensgemeinschaften damals stark zugenommen.
Sie ist ein Vorbild – auch für heutige junge Menschen.
RB: Welche Aspekte zu Maria Theresia Ledochówskas Leben sind vielleicht weniger bekannt und doch bemerkenswert?
Sohn-Kronthaler: Bemerkenswert ist, dass sie heute als Vorbild für junge Menschen hingestellt wird. Als Frau, die Mut und Courage hat, die Neues wagt, die die Hoffnung nicht verliert und die sowohl den Nächsten, als auch den ferneren Nächsten im Blick hat. Sie ließ sich auch in einer Männerdomäne nicht unterkriegen. Sie ist dadurch – und auch in Hinblick auf die Verkündigung – für heute ein Vorbild. Es lohnt sich, sich mit ihr auseinander zu setzen.
Hintergrund
„Meine Feder soll nur noch dem Apostolat der Missionen dienen“
Dieses Zitat stammt von Maria Theresia Ledóchowska, die 1885 als Hofdame in die Stadt Salzburg kam. Doch schon bald verließ die junge Frau polnisch-adeliger Herkunft ihren sicheren Posten bei der Großherzogin von Toskana und widmete ihr Leben fortan bedürftigen Menschen in Afrika.
Bis zum Ende ihrer Tage war Ledóchowska getrieben von der Vision, die Sklaverei abzuschaffen. Zu diesem Zweck gründete sie in Maria Sorg bei Salzburg eine Schwesterngemeinschaft, den Missionsorden vom heiligen Petrus Claver, der auch heute noch weltweit tätig ist.
Sie richtete dort (als Frau!) eine Druckerei ein. Ihre Ideen verbreitete Ledóchowska mit eigenen Publikationen, der Herausgabe mehrerer Zeitschriften in vielen Sprachen und den modernen Medien des beginnenden 20. Jahrhunderts. Sie hielt Vorträge, verfasste Theaterstücke und gründete in der Stadt Salzburg ein Afrika-Museum, das „Claverianum“, mit dem sie das Afrika-Bild ihrer Zeit prägte.
Trotz ihres erstaunlichen Lebenswerks blieb die 1975 von Papst Paul VI. selig gesprochene Ordensgründerin lange weitgehend unbekannt. Anlässlich ihres 100. Todesjahres (2022) und noch bis zum 50. Jahrestag der Seligsprechung (2025) widmen sich mehrere Projekte und Veranstaltungen dem Andenken und der Wertschätzung dieser mutigen Frau: von einem Festgottesdienst mit Erzbischof Franz Lackner im Juli 2022 über die Ausstrahlung einer ORF-Doku im November des Vorjahres bis zu den aktuellen Highlights in Form eines Symposiums und einer Performance.
Symposium & Performance
Symposium „Maria Theresia Ledóchowska (1863–1922). Salzburg und Afrika im Leben der Ordensgründerin“
Organisation: Stadtarchiv und Erzdiözese Salzburg, Missionsschwestern vom hl. Petrus Claver – Maria Sorg, Katholische Aktion, Frauenbüro.
Ort: Kapitelsaal, Kapitelplatz 6
Zeit: 15. Juni (ab 13.30 Uhr) und 16. Juni (ab 8.45 Uhr)
Infos/Anmeldung: www.stadt-salzburg.at/stadtarchiv –
Tel. 0662/8072-4701.
Musik-Tanz-Lesung: „Maria Theresia Ledóchowska: Worte, die Ketten sprengen“
Veranstalter: Philharmonie Salzburg/Elisabeth Fuchs
Ort: Kollegienkirche
Zeit: 14. Juni (20 Uhr) und 16. Juni (10 Uhr)
Mitwirkende/Karteninfos: www.philharmoniesalzburg.at
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