RB: Ukraine-Krieg, Teuerung, Klimawandel, Flüchtlingsnot… aktuell fällt es nicht leicht, zuversichtlich für die Zukunft zu bleiben. Was trägt uns, wenn alles düster erscheint?
Georg Fraberger: Als Psychologe betrachte ich die Ereignisse aus der Perspektive der Seele und der Gefühlswelt. Was kann der einzelne Mensch tun? Sich nicht anstecken lassen von der Wut und der Frustration, sondern Gelassenheit entwickeln. Jedes Gefühl entsteht im eigenen Körper. Dieses Gefühl beeinflusst die Stimmung um uns herum. Wir haben die Wahl, auf diese Stimmung einzusteigen oder einem anderen Gefühl zu folgen. Diese Wahl haben wir sobald wir erwachsen sind. Kinderaugen kann man leicht mit Stimmungen verführen. Sowohl im Positiven, wenn es darum geht lernen zu müssen, als auch im Negativen, wenn es darum geht etwas durchsetzen zu wollen.
Ich werde immer wieder gefragt, ob ich glaube, dass man etwas schaffen kann. Solange wir leben schaffen wir das Leben, vielleicht nicht so wie wir das glauben oder hoffen, aber wir schaffen es auf jeden Fall.
RB: In unserer digitalen Welt prasseln aber nun im Sekundentakt Nachrichten auf uns herein. Wie gehen wir am besten damit um?
Fraberger: Ich habe keinen Fernseher und meide sämtliche Medien in denen die Geschehnisse der Welt präsentiert werden. Wenn ich etwas lese dann stets ein paar Tage später, damit ich mich nicht von der Hysterie vereinnahmen lasse. Ich versuche selbst kleine Videos und Beiträge ins Internet zu stellen die sich mit anderen Dingen des Lebens beschäftigen. Das ist mein persönlicher Umgang.
RB: Sind Sie ein zuversichtlicher Mensch? Wenn ja, waren Sie das schon immer?
Fraberger: Ich bin zuversichtlich und ich befürchte, ich war es schon immer. Das macht es nicht leicht, denn ein Mensch der vertraut, kann leicht ausgenützt werden. Die Zuversicht ist wichtig, es ist aber notwendig, auch skeptisch zu bleiben. Das gilt vor allem Personen gegenüber, die meinen, es gibt unbedingt im Leben ein paar Dinge die man tun muss, sehen muss, haben muss, können muss.
RB: Was sind Ihre Quellen der Zuversicht?
Fraberger: Ich habe die Gewissheit, dass ich immer wieder Menschen habe, die mich lieben. Das Schlimmste was mir passieren kann ist, dass ich auf Menschen treffe, die mich nicht lieben. Die Konsequenz daraus: Ich gehe nach Hause. Dort werde ich geliebt und bin in Sicherheit. Ich denke, meine Behinderung hat mir diese Gewissheit gegeben. Ich war gut, so wie ich war – unabhängig davon ob ich etwas konnte oder nicht. Diese Gewissheit sollten auch all jene Kinder bekommen, die keine Behinderung haben.
RB: Lässt sich Zuversicht lernen?
Fraberger: Ja, Zuversicht lässt sich lernen. Wobei die Angst ein Begleiter ist. Augustinus beschreibt, dass Hoffnung immer mit Angst verbunden ist. Im Sinne einer Energie, welche die Hoffnung real werden lässt.
RB: Wie können wir Zuversicht und Resilienz bei Kindern fördern?
Fraberger: Entscheidend ist, geliebt zu werden – geliebt dafür was und wie man ist. Wenn wir Kindern das bewusst machen, stärken wir ihre Zuversicht. Es ist wichtig sich einzugliedern. Es ist nicht wichtig sich für andere Menschen zu verbiegen oder gar zu verleugnen. Natürlich ist es gut, lesen und schreiben zu können. Doch auch jemand der es nicht kann, wird erwachsen, kann eine Familie gründen und sich ein Leben aufbauen.
Pädagogik soll nicht dazu erziehen, später Geld zu verdienen. Eltern müssen Kindern beibringen, dass der Sinn des Lebens im Leben selbst liegt und nicht im arbeiten. Sinnvoll ist es, Beziehungen eingehen zu können und anderen zeigen zu können, wer man ist. Hier spielt dann Wissenschaft, Kunst oder Sport herein. Neugierde soll das Arbeiten antreiben und nicht Existenzangst. Insofern können wir Resilienz fördern, indem wir Kindern sagen: Du bist schon gut wie du bist, aber wenn du das auch noch kannst, dann macht es dir vielleicht Freude dies und jenes zu tun und diese und jene Beziehungen einzugehen.
Hintergrund
Georg Fraberger wurde 1973 ohne Arme und ohne Beine geboren. Sein Weg bis heute ist beeindruckend. Er absolvierte das Psychologie-Studium in Wien. In seiner Dissertation befasste er sich mit dem Konzept der Lebensqualität. Heute arbeitet er in einer eigenen Praxis und als klinischer Psychologe am AKH Wien, ist als Lehrbeauftragter, Autor und Vortragender wie aktuell bei der IPWT Salzburg aktiv.
Zuversicht stärken ist der Titel der 71. Internationalen Pädagogischen Werktagung (IPWT) in der Großen Universitätsaula in Salzburg, die noch bis Freitag 14. Juli geht. Infos: bildungskirche.at/werktagung
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