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Salzburg. Vor 50 Jahren gab Erzbischof Karl Berg den Anstoß zur Wiederbelebung der 1393 gegründeten, aber mit dem Zweiten Weltkrieg aufgelösten Domkapellknaben. Seine damaligen Worte könnten auch aus der Jetztzeit stammen: „Man hört gerne eure hellen, frohen Stimmen. Selbst im Ausland habt ihr schon Lob und Anerkennung geerntet.“ Nach der langjährigen Aufbauarbeit durch Professor Josef Bogensberger ging die Leitung 2001 an den heutigen Jugendchorverantwortlichen Gerrit Stadlbauer über. Bereits zuvor war die Erweiterung zu „Salzburger Domkapellknaben und -mädchen“ vollzogen worden.
Für Stadlbauer hat dabei nicht nur Kirchenmusik Platz. „Die Lieder, die wir singen, sind cool. Einmal im Jahr gibt es auch eine Musical-Aufführung“, erzählt die 13-jährige Melina. Finyan (9) freut sich schon auf die nächste Singwoche, sein Bruder Jón (11) schwärmt noch immer vom „schönen Weihnachtsoratorium“. Ida (12) sang schon als Vierjährige mit und hat dementsprechend viele Freundinnen und Freunde im Chor. Für alle zusammen bringt es der Titel einer Motette von Johann Sebastian Bach auf den Punkt: „Singet dem Herrn ein neues Lied“.
Als ich selbst ein „Domi“ war
Es gibt Erinnerungen, die vergisst man nicht – wie jenen Tag meiner Volksschulzeit um das Jahr 1976 oder 1977 herum, als uns Professor Josef Bogensberger im Musikunterricht besuchte. Wir sangen ihm vor – und wenige Wochen später war ich Domkapellknabe. Ein „Domi“ der ersten Stunde, denn erst 1974 hatte Erzbischof Karl Berg die bis ins Mittelalter unter Fürsterzbischof Pilgrim II. zurückreichende Sängerknaben-Tradition wiederbelebt. Die Mitgestaltung von Gottesdiensten und Konzerten, zumeist im Salzburger Dom, die Chorgemeinschaft und bis heute währende Freundschaften sowie außergewöhnliche Reisen und Erlebnisse, das alles war von nun an fixer Bestandteil meines Lebens.
Zu kirchlichen Anlässen trugen wir Kutte und Kreuz, für Volkslieder und weltliche Auftritte holten wir den grünen Trachtenjanker und die schwarze Hose aus dem Schrank. Wir sangen auf Latein – eine Sprache, die ich erst viel später verstehen sollte – oder Deutsch. In Mundart intonierten wir „Überführn“ und „Hinter uns‘rer Stadltür“. Zu besonderen Anlässen wurden wir nach dem Auftritt mit dem bald obligatorischen Paar Würstel belohnt. Ganz im Geiste der ersten Liedzeile, die ich in der Vorbereitungsgruppe lernte: „Kraut und Rüben haben mich vertrieben, hätt die Mutter Fleisch gekocht, so wär ich länger blieben.“
Wir bereisten buchstäblich die halbe Welt. Ich sah London und Cambridge, Rom und Sardinien, Warschau und Kanada. Bei der Privataudienz in Castel Gandolfo war ich der erste Knabe, der zu Papst Johannes Paul II. eilte. Er strich mir über die Wange und segnete mich. Als einer der ersten westlichen Chöre flogen wir nach Moskau – und schafften es damit auf die Rupertusblatt-Titelseite. Wir lernten kyrillisch und schlossen Freundschaften. Russische Mädchenchöre sangen mit Händeklatschen und Fingerschnippen „Und jetzt gang i ans Peters Brünnele“, wir antworteten mit einem „Druschba“-Refrain, der übersetzt lautete: „Freundschaft ist die Quelle aller Glückseligkeit.“ Noch jahrelang wurden Briefe hin und her geschickt. Unvergessen blieb auch der internationale Sängerkongress in Barcelona, als aus rund 10.000 Kehlen das Händel-Hallelujah erklang. Bewegend, ergreifend.
Spiel und Spaß kamen trotz harter Proben und Ernsthaftigkeit bei den Auftritten nicht zu kurz – besonders die Singwochen auf der Lungauer Burg Finstergrün und der Fladnitzer Teichalm. Wir wurden älter, der Stimmbruch kam, wir wechselten in die Jugendkantorei und halfen als Betreuer. Ein Blick auf alte Namenslisten weckt Erinnerungen. Andreas sang das „Beata es“-Solo so unvergleichlich kräftig und glockenklar, dass in den italienischen Kirchen minutenlang applaudiert wurde. Mit Heiko und Christian bin ich noch heute befreundet, die gelegentliche Billardrunde ist stets von „Domi“-Anekdoten begleitet. Manfred ist einer meiner Ärzte. Pepi hat mir damals in der Stichwahl den Titel als „Knabenbischof“ der Domkapellknaben weggeschnappt.
Und dann ist da natürlich Gerrit Stadlbauer: seit 1980 ununterbrochen in der Dommusik, einst mit mir als Chorknabe, seit mehr als 20 Jahren als Nachfolger
von Josef Bogensberger Leiter der Domkapellknaben und -mädchen. Als Herz und Seele der Salzburger Jugendchöre schwärmt er naturgemäß von der Musik, aber ebenso von „prägenden Singwochen“ sowie den vielen Reisen und Begegnungen. „Etwa als wir 1982 Kaiserin Zita mit Ständchen und Blumen zum 90. Geburtstag gratulierten und am gleichen Tag noch zu einem Wettbewerb weiterfuhren. Dort durfte ich als Kleinster auf die Bühne und den Pokal entgegennehmen“, erinnert sich Stadlbauer wehmütig. Unter seiner Leitung sind die Jugendchöre heute vielfältig aufgestellt, singen neben Kirchenmusik regelmäßig Gospels, Musicals, moderne Literatur. „Ich denke, wir sind auch leistungsfähiger geworden“, freut sich das Domkapellknaben-Urgestein.
Thomas Manhart
Tipp
Freitag, 2. Februar, 19 Uhr: Pontifikalamt Darstellung des Herrn/Lichtmess – Jubiläumsgottesdienst anlässlich 50 Jahre Salzburger Domkapellknaben und -mädchen.
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