RB: Über Erentrudis ist bekannt, sie war die erste Äbtissin der Benediktinerinnenabtei Nonnberg und sie ist die Schutzpatronin Salzburgs. Was war sie für eine Frau?
Äbtissin Veronika Kronlachner OSB: Sie kam auf Bitte des heiligen Rupert nach Salzburg, um missionarisch zu wirken. Sie hat aber auch sozial gewirkt, sich in der Armenfürsorge engagiert und für Bildung eingesetzt.
RB: Sie feiern im Stift am 30. Juni den Gedenktag der hl. Erentrudis. Was spielt sie für eine Rolle im Kloster?
Äbtissin: Auch wenn geschichtlich nicht sehr viel über sie bekannt ist, so wissen wir um den Schutz, den das Kloster durch sie über Jahrhunderte hindurch erhalten hat. Das ist unbeschreiblich.
Priorin Eva-Maria Saurugg OSB: Unser Kloster wurde zwischen 712 und 715 gegründet und besteht seither ununterbrochen. Es wurde nie aufgehoben, nicht unter Joseph II. und nicht in der Zeit des Nationalsozialismus. Es gibt einen bemerkenswerten Eintrag in der Chronik vom 30. Oktober 1940. Da waren schon die meisten Klöster geschlossen. An diesem Tag kam eine achtköpfige Kommission inklusive Gestapo, um unser Haus zu besichtigen, auch die Klausur. Bevor sie in den Konvent-Trakt kamen, sagte jemand: Ich glaube, wir haben genug gesehen. Sie sind umgedreht, bevor sie die vielen weiteren Räume gesehen haben. Anschließend sind sie zu den Ursulinen gegangen und haben dieses Kloster aufgehoben. An jedem 30. gedenken wir der heiligen Erentrudis, die an einem 30. (Juni) gestorben ist. Wenn sie da nicht mit im Spiel war ...
RB: Nonnberg gilt europaweit als das älteste christliche Frauenkloster mit durchgehender Tradition.
Priorin: Das stimmt, vor allem vor Ort. Es gibt in Frankreich in Poitiers ein Benediktinerinnenkloster, das 150 Jahre vor uns gegründet wurde. Allerdings ist es durch Napoleon aufgehoben worden. Das Gemeinschaftsleben haben die Schwestern im Untergrund weitergetragen.
Wir dürfen hier sein, weil Mitschwestern vor uns dieses Haus bewahrt und gepflegt haben.
RB: Neben den heiligen Rupert und Virgil steht die heilige Erentrudis etwas im Schatten. Im Herbst steht allerdings ein großes Fest an, um ihrer Ernennung zur Landesmutter vor 400 Jahren zu gedenken.
Äbtissin: Alle hundert Jahre wird diese Erhebung mit einer großen Prozession gefeiert.
Priorin: Im Bericht von 1924 ist zu lesen, dass sie eine Art Festwoche begangen haben. Deshalb haben wir gesagt, da können wir nicht nichts tun. Das Berührende von 1924 ist, dass die Chronistin damals vermerkte: Wir bitten die Mitschwestern, die das Fest in 100 Jahren vorbereiten, unser zu gedenken. Das hat mich sehr bewegt.
Äbtissin: Das zeigt, es wird immer weitergedacht als eine Generation. Das ist zum Beispiel bei Renovierungen oder bei Zubauten der Fall. Ein Politiker sagte einmal zu mir: Wir denken in Legislaturperioden. Ich sagte: Wir denken in Jahrhunderten.
Priorin: Das zeigt sich auch im Alltag. Wir leben im Bewusstsein, dass uns alles übergeben ist. Wir dürfen hier sein, weil Mitschwestern vor uns dafür gearbeitet, dieses Haus bewahrt und gepflegt haben. Unser Auftrag ist es, das ebenfalls wieder weiterzugeben: materiell und geistig.
RB: Ein nachhaltiges Leben zu führen ist im Kloster kein neuer Trend.
Priorin: Wir müssen uns selbst erhalten. Bei uns wird alles wieder verwertet, was geht. Das hat sicherlich damit zu tun, dass es Zeiten gab, in denen es ganz eng war. Die Armut in der Zwischenkriegszeit war groß. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg hieß es, sparen, sparen, sparen. Die älteren Mitschwestern erzählten, sie sind nach Goldenstein gefahren, um den Kaffeesatz zu holen. Das prägt eine Gemeinschaft – bis heute.
Äbtissin: Wir wissen durch den Erentrudishof (Anm.: eine Landwirtschaft, die zum Stift gehört) wieviel Arbeit dahintersteckt. Was es braucht, damit das Getreidekorn zum Brot wird.
RB: Viele Klöster haben Nachwuchssorgen. Im Herbst steht am Nonnberg wie schon im Vorjahr eine Ewige Profess einer Schwester an.
Äbtissin: Das hat sich so gefügt. Jede Berufung ist ein Geschenk. Dass ich das begleiten und leiten darf, ist eine große Freude.
RB: Sie sind seit 2017 die 93. Vorsteherin der Gemeinschaft am Nonnberg. Ihr Weg hätte auch ein anderer sein können. Sie haben eine Ausbildung gemacht. Warum sind sie ins Kloster gegangen?
Äbtissin: Ich habe als Schneiderin gearbeitet und wollte dann umsteigen in die Altenpflege. Als ich die Fachschule in Salzburg besuchte, habe ich den Nonnberg kennen gelernt.
RB: Wie ist Ihre Berufung gewachsen?
Äbtissin: Ich war als Kind sehr religiös. Als ich 15 Jahre war, verstarb mein Bruder. Das brachte eine große Glaubenskrise: Wie kann Gott ein Gott der Liebe sein, wenn er das zulässt? Es dauert zwei Jahre und ich war mit seinen beiden Kindern unterwegs, als ich plötzlich einen Frieden und eine Ruhe in mir spürte wie nie zuvor. Ich war mir sicher, Jesus ist auferstanden und mein Bruder mit ihm. Das hat mich so getröstet und hat in mir den Auferstehungsglauben stark geprägt. Danach habe ich versucht, mein Leben nach dem Glauben auszurichten und dabei stellte sich mir immer wieder die Frage, ob ich ins Kloster gehen sollte. Aber ich wollte auch eine Familie haben.
In Salzburg hat mich eine Freundin mit auf den Nonnberg genommen. Es hat mich so gefesselt, dass ich am nächsten Tag wieder gekommen bin und immer wieder. Eine zweite Begebenheit ereignete sich in der Franziskanerkirche nach einem Beichtgespräch. Unter dem Kreuz stehend war es, wie wenn Jesus selbst zu mir sagt: „Deine Heimat ist der Nonnberg.“ Ich wusste, das ist mein Weg. Am 18. März 1991 bin ich eingetreten. Dabei habe ich stets betont, dass ich keine „schwarze Schwester“ werden will, zudem kann ich nicht singen und kann kein Wort Latein. Dann war ich am Nonnberg und was erlebte ich: Schwestern in einer schwarzen Ordenstracht, die in Latein singen.
RB: Was bedeutet es für Sie Äbtissin zu sein?
Äbtissin: Es ist eine große Verantwortung. Ich sehe es gleichzeitig als große Gnade, die Mitschwestern begleiten zu dürfen und ihr Vertrauen zu haben. Das ist ein Geschenk, mit dem ich sorgfältig umgehe.
RB: Die Rolle der Frau in der Kirche ist ein hochaktuelles Thema. Wird das am Nonnberg diskutiert?
Äbtissin: Wir haben über die Jahrhunderte gesehen, dass ein sehr gutes Selbstbewusstsein der Frau da war. Die Schwestern mussten sich durchsetzen, sei es gegenüber Bischöfen oder politischen Würdenträgern.
RB: Was wünschen Sie dem Nonnberg und den künftigen Schwestern?
Äbtissin: Die Freude am Gottvertrauen und die Freude, in seinem Dienst zu stehen.
Priorin: Dieses Haus und diese Kirche sind etwas Besonderes. Das nehmen so viele Menschen wahr. Mögen viele die Schönheit eines gottgeweihten Lebens erkennen.
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Die heilige Erentrudis wird heuer in besonderer Weise gefeiert. Anlass ist die Ernennung zur Stadt- und Landesmutter vor 400 Jahren am 4. September 1624 durch Erzbischof Paris Lodron. Zunächst gedenkt das Benediktinerinnenstift Nonnberg ihrer ersten Äbtissin am Gedenktag, 30. Juni, mit einer Kryptamesse und Einzelsegnung mit Reliquien (7.30 Uhr) sowie einem Festgottesdienst in der Stiftskirche (18.30 Uhr). Im September folgt dann eine Festwoche zu Ehren der Heiligen.
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