Der Besen mit den roten Borsten ist schon von Weitem zu sehen. Er lehnt an der Mauer gleich neben dem Eingang. Die Tür selbst steht weit offen. „Grüß Gott, ich bin gerade fertig geworden. Mir ist noch ganz heiß vom Auskehren.“ Gretl Edenstrasser sitzt auf einer der sechs schmalen Bänke, die den Großteil des Innenraums der Bergkreuzkapelle einnehmen. Ein paar Teelichter in Gläsern brennen auf einer Metallschale. „Das haben wir, seit die Kapelle brannte. Alles war ganz rußig. Das war eine Putzerei. Und die Wände mussten alle neu gestrichen werden.“
86 Jahre alt ist sie mittlerweile. Jahre, die man der rüstigen Kundlerin keinesfalls ansieht. „Ja, ich bin schon noch fit. Das kommt vom Arbeiten. Man muss einfach immer etwas tun.“ Und zu tun hat Gretl Edenstrasser wahrlich genug. Jede Woche kommt sie einmal hier herauf zur Bergkreuzkapelle und kehrt aus. Einmal im Monat wird auch noch gewischt. „Früher hat das eine alte Frau gemacht. Als sie gesundheitlich nicht mehr konnte, hat mich wer aus der Pfarre angerufen und gefragt, ob ich den ehrenamtlichen Dienst übernehmen könnte, bis sie jemanden finden. Ja, das ist jetzt über 25 Jahre her und sie haben immer noch niemanden gefunden“, lacht Gretl Edenstrasser: „Die Arbeit mag einfach niemand machen, weil alles um Gotteslohn ist. Als Dankeschön gibt’s einmal im Jahr von der Pfarre einen kleinen Gutschein. Das war´s.“ Umso dankbarer ist sie, dass ihr ein junger Bursch aus der Nähe im Frühjahr vor dem ersten Aufsperren der Kapelle hilft, die Figuren abzustauben und die Fenster zu putzen. Und es gibt noch andere helfende Hände, die manchmal zur Stelle sind.
Narzissen fürs Frühjahr
„Ich wohne dort drüben, ganz auf der anderen Seite.“ Mit der Hand zeigt Gretl Edenstrasser aus der Tür hinaus Richtung Innsbruck. „Es ist schon recht weit hierher. Ich geh‘ durch den Wald. Zu Fuß brauche ich 20 Minuten, aber ich bin keine langsame Geherin.“ An die Bergkreuzkapelle kann sich Gretl erinnern, seit sie 1964 nach Kundl zog. Am Aufstieg vom Kundler Achenfeld Richtung Wildschönau gelegen, ist sie schon von weit her sichtbar. Das weiße kleine Gotteshaus, eingerahmt vom Wald, der unmittelbar dahinter beginnt. Ursprünglich soll hier nur ein Kreuz gestanden haben, bis erst eine kleine und kurz vor 1900 schließlich eine etwas größere Kapelle errichtet wurde. Von daher soll auch der Name Bergkreuzkapelle stammen.
Der Blumenschmuck war ihre Idee. „Die Kunstblumen haben wir zusammengebettelt. Geld, welche zu kaufen, ist keines da. Ich habe die Blumen dann gekürzt und an einer Stange drapiert. Mir gefällt’s”, sagt sie. Jedes Frühjahr holt sie die Kunstnarzissen heraus. Blumen drapieren, Gestecke herrichten – eine von Gretl Edenstrassers Spezialitäten: „Ich habe 25 Jahre für den Weihnachtsbasar gebastelt. Türschmuck, Gestecke und so.“ Im Sommer dekoriert sie Rosen, im Herbst folgen Sonnenblumen, bevor die Kapelle im November geschlossen wird.
Katzen und Wegkreuze
„Im Grunde habe ich immer schon irgendwo geholfen. Einmal bin ich mit dem Rad von St. Leonhard nach Kundl gefahren. Da fielen mir in einem Pferdestall unzählige Katzen auf. Weil ich Tiere so gern mag, habe ich geholfen, Kastrationen der Weibchen mit dem Tierheim organisiert, gefüttert. Die Katzen wurden alle ganz zahm und wuchsen mir in diesen 17 Jahren richtig ans Herz. Daher hielt ich durch, bis die letzte starb. Das ist jetzt etwa sieben Jahre her. Also da war ich auch schon über 80.“ Dass sie auf ihren Fahrten zu dem Hof auch noch fünf Wegkreuze betreut, diese im Frühjahr mit Blumen bepflanzt und den Sommer über gießt, erzählt sie fast schon nebenbei.
Kapellendienst hält fit
„Man braucht einfach eine Aufgabe, dann wird man meiner Meinung nach auch nicht dement. Nur rumsitzen, das geht gar nicht. Ja, ich putz‘ hier sicher noch ein paar Jahre – wenn es mir gesundheitlich möglich ist. Vermutlich lässt mich der da oben deshalb so lange hier herunten, weil sonst die Kapelle verkommt“, schmunzelt Gretl Edenstrasser und erzählt noch gleich von ihrem großen Wunsch: „Etwas weiter oben ist der Jungfrauenbrunnen. Das Wasser ist besonders gut. Ich hätte hier herunten so gern einen Brunnen mit dem Wasser, aber keiner legt eine Leitung herunter. Leider.“
Schwungvoll räumt sie den Besen auf – bis sie ihn in der kommenden Woche wieder zur Hand nimmt.
Der Bericht über Gretl Edenstrasser ist bereits im Magazin „Die Unterlandlerin“ erschienen.
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