RB: Was ist schwieriger: Freiwillige zu gewinnen oder deren Freude am Ehrenamt zu bewahren?
Gabriele Eder-Cakl: Beides ist eine Herausforderung, aber beides ist mit dem richtigen Zugang und der entsprechenden Haltung machbar. Die Forschung belegt, dass sich die Freiwilligenarbeit verändert hat. Dass viele Menschen nicht mehr von der Taufe bis zum Begräbnis ehrenamtlich tätig sein wollen, sondern eher projektbezogen und passend zu ihrer jeweiligen Lebenssituation. Mit diesem Wissen im Hinterkopf muss man anders auf die Pfarrmitglieder zugehen.
RB: Was bedeutet dieser „andere Zugang“ konkret?
Eder-Cakl: Es ist ganz wichtig, die Leute nicht in ein Schema zu pressen, sondern im Geiste der Emmaus-Jünger zu fragen: Wofür schlägt und brennt dein Herz? Welche Form des Engagements passt zu wem? Dass sich Personen vielleicht nicht nach der Vorstellung, wie ich sie habe oder wie es in der Pfarre immer schon gemacht wurde, einbringen wollen, sondern lediglich für ein spezielles Thema oder Projekt. Beim einen ist es das Pilgern oder die Ministrantenarbeit, bei der anderen Entwicklungszusammenarbeit, Familienfasttag und Frauengruppe, wieder andere engagieren sich für die Kindergottesdienste oder gehen zum Kartenspielen mit älteren Leuten ins Seniorenheim. Das alles sind wichtige Beiträge in der Pfarrgemeinde.
Wir nehmen die Freiwilligen unterstützend an die Hand, lassen sie aber zugleich so arbeiten, wie es ihnen gut tut.
RB: Was sind Ihre persönlichen Erfahrungen in diesem Bereich?
Eder-Cakl: Wenn man mit einem offenen Ohr, Herzen und Auge auf die Leute zugeht, also die Menschen in der Pfarre mit wachem Blick wahrnimmt, dann erkennt man ihre Fähigkeiten und findet auch immer wieder Ehrenamtliche. Wenn wir Seelsorgeteams aufbauen, ist da genau beschrieben, was die Freiwilligen erwartet und wie viel Zeit dafür ungefähr einzuplanen ist. Und es braucht viel Unterstützung – durch die Diözese, durch die Pfarre, durch Schulungen oder auch durch eine zweite Person. Man wird nicht allein gelassen. Bildlich gesprochen: Wir nehmen die Freiwilligen unterstützend an die Hand, lassen sie aber zugleich so arbeiten, wie es ihnen guttut.
RB: Was sind dabei die wichtigsten Formen der Wertschätzung?
Eder-Cakl: Vertrauen, dass es die Person ernst meint und gut macht, sowie regelmäßig und ehrlich danke sagen – auch gerne mal vor der Gottesdienstgemeinde. Man denkt, das ist selbstverständlich, aber das ist es oft nicht. Erst neulich habe ich wieder gehört, dass sich eine Person die ganze Advent-, Weihnachts- und Osterzeit mit Mesnerarbeit, Gottesdienstvorbereitungen und so weiter Tag und Nacht für die Pfarre „zerspragelt“ hat – und am Ende der Heiligen Woche kam niemandem ein Dankeschön über die Lippen. Das geht einfach nicht. Es muss ja nicht immer ein Blumenstrauß oder ein Geschenk sein, es muss einfach nur gesagt werden. Das entspricht übrigens auch ganz dem synodalen Geist, der jetzt in unserer Kirche umgesetzt werden soll: diese Haltung der Wertschätzung, des Respekts und des Wahrnehmens der anderen Charismen.
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