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RB: Beim Rückblick auf das vergangene Jahr: Was bleibt besonders in Erinnerung, was war prägend?
Erzbischof Franz Lackner: Das Sterben und der Heimgang meines Vorgängers im Februar. Es kam doch so plötzlich. Als Erzbischof Alois nach Salzburg zurückgekommen und in das Priesterseminar eingezogen ist, hat mich das sehr gefreut. Das funktionierte wunderbar. Er war Salesianer und gerne mit jungen Leuten beisammen, das hat man gespürt. Die Anteilnahme beim Begräbnis hat dann gezeigt, wie sehr die Menschen Erzbischof emeritus Alois Kothgasser geschätzt haben.
Wichtig für die Diözese war im vergangenen Jahr der Abschluss unseres Organisations-Prozesses. Wir haben eine zeitgemäße Struktur und eine notwendige Aufstellung der Ressourcen auf den Weg gebracht. Ich denke da nur an das Personalreferat. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind für uns die wertvollste Ressource, die wir haben. Hier braucht es eine fachkompetente und gute Begleitung.
RB: Nach mehr als drei Jahren endete im Oktober ein Synodaler Prozess, an dem sich das ganze Volk Gottes beteiligen sollte. Sie waren als Teilnehmer der Synodenversammlungen im Vatikan ganz nahe dran.
Erzbischof Lackner: Das Größte für mich war das Ereignis an sich. Die Weltkirche war bei der Synode repräsentativ versammelt. Ich sage immer vom Nordpol bis zum Südpol. Und nicht nur Bischöfe waren beteiligt, sondern Frauen, Männer und Vertreterinnen und Vertreter der Ökumene – aus den verschiedensten Schichten des menschlichen Lebens und Daseins. Für mich bedeutet das, das Evangelium ist in der ganzen Welt angekommen. Jesus sagt ja, geht hinaus in alle Welt.
RB: Die Welt mit Kriegen, die Flucht vieler Menschen, die Ausbeutung unserer Ressourcen, die wirtschaftliche und politische Situation… das alles macht uns Sorgen. Sie haben in der Weihnachtsbotschaft die Hoffnung aus dem Glauben betont. Braucht es gerade jetzt diese Hoffnung?
Erzbischof Lackner: Wir sollten uns zunächst die Frage stellen: Was ist Hoffnung überhaupt? Was Glaube ist, das ist uns ziemlich klar. Wir glauben, dass Jesus wiederkommen wird. Wir glauben, dass Gott die Welt erschaffen hat. Wir haben im Glauben immer einen Referenzpunkt, auf den wir uns beziehen. Hoffnung hat das nicht. Hoffnung ist Glaube, der nichts sieht und nichts weiß. Hoffnung gegen alle Hoffnung. Dieses Element des Glaubens ist oft nicht da bei uns. Die Dimension eines hoffenden Glaubens fehlt.
RB: Auch das Heilige Jahr greift das zentrale Thema der Hoffnung auf. Es wird unter dem Leitwort „Pilger der Hoffnung“ stehen.
Erzbischof Lackner: In der Verkündigungsbulle zum Heiligen Jahr 2025 heißt es „Spes non confundit“, übersetzt „die Hoffnung lässt nicht zugrunde gehen“ (vgl. Röm 5,5). Wir sind mit so vielen Problemen, Krisen und Kriegen konfrontiert. Da sind wir Christen und Christinnen wirklich gerufen, hoffnungsstiftend und ermutigend in dieser Welt zu wirken.
Glaube und Hoffnung sind die wertvollen Zugaben. Ohne sie ist alles nichts.
RB: Ist das auch als Chance zu verstehen?
Erzbischof Lackner: Das würde ich sagen, wenn wir es existenziell als ein Lebensprogramm nehmen. Es geht nicht um eine Optimismus-Hoffnung oder um Vertröstung.
„Dum spiro, spero.“ „Solange ich atme, hoffe ich“. Diese Worte verdeutlichen, dass es immer einen Grund zur Hoffnung gibt. Wenn ich während der Synode Menschen begegnet bin, die wie ich aus westlichen Ländern kamen, ging es oft um Strukturen und um Herausforderungen, die uns plagen. Die Menschen aus Krisengebieten haben von Hoffnung gesprochen. Sie sind nicht verzweifelt, auch wenn sie nicht wissen, wie sich die Situation entwickelt. Der Mensch hält vieles aus, wenn er einen Sinn dahinter sieht.
RB: Sie haben in einem früheren Rupertusblatt-Interview gesagt, „ich möchten die Sehnsucht im Menschen nach Gott wecken“.
Erzbischof Lackner: Ich halte die Sehnsucht für ein ganz wichtiges Grundwort des Glaubens in unserer heutigen Zeit. Wann sehnt man sich? Wenn etwas fehlt. Dieses Sehnen entdecke ich oft. Und das gibt mir wieder Hoffnung. Die Sehnsucht nach Sinn ist nicht gestorben, auch nicht bei den Menschen, die sich mit der Kirche schwertun oder ausgetreten sind. Das begegnet mir in den Briefen, die mich erreichen oder bei den Visitationen in den Pfarren.
Das Leben ist herausfordernd. Wir leben in einer Welt der Möglichkeiten, da kann man vieles ausschöpfen. Und doch bleibt der Mensch irgendwo auf der Strecke. Selbst die Erwartungen, die sich erfüllen, befriedigen nicht ganz.
Ich glaube zudem, wir sind zu sehr erwartungskonzentriert: Es muss ständig mehr werden. In der Wirtschaft muss mehr produziert werden, mehr Profit eingefahren werden, es muss mehr im Geldbörsel übrigbleiben. Doch das ist letztlich zu wenig. Da kann Glaube schon so etwas sein wie eine Grundlegung. Ich möchte es mit dem biblischen Beispiel des Salzes verdeutlichen. Salz alleine können wir nicht essen. Salz ist eine Zugabe. Es macht das, was da ist, köstlich und gibt den Geschmack. So ist es mit dem Glauben und ganz gewiss mit der Hoffnung. Sie sind die wertvollen Zugaben. Ohne sie ist alles nichts.
RB: Papst Franziskus ermutigt uns im Heiligen Jahr greifbare „Zeichen der Hoffnung“ in der Kirche und der Welt zu setzen. Welche können das sein?
Erzbischof Lackner: Wir wollen in diesem Jahr Heiligkeit entdecken. Nicht unbedingt das Strahlende, das Außergewöhnliche oder das Heroische. Es geht um das Heilige im Kleinen und in der Alltäglichkeit. Es geschieht viel Gutes im Verborgenen. Und dieses Heilige gibt uns Hoffnung. In den Pfarren sind nach wie vor unzählige Menschen, von den Mesnern bis zu den Ehrenamtlichen im Pfarrgemeinderat, die sich engagieren. Sie sind bereit mitzuwirken, dass der Glaube weitergegeben wird. Natürlich sind im Heiligen Jahr auch die Romwallfahrt und das Durchschreiten der Heiligen Pforten wichtig. (Anm.: Die Diözesanwallfahrt führt vom 17. bis 22. November 2025 nach Rom).
RB: Noch zu einem anderen Thema: Kardinal Christoph Schönborn zieht sich nach 30 Jahren als Wiener Erzbischof zurück. Was muss sein Nachfolger mitbringen?
Erzbischof Lackner: Ich bin überzeugt, es braucht einen jungen Nachfolger, der mit Tatkraft seine Vision verfolgt. Und er muss die Menschen verstehen und die Kirche lieben, wie sie ist. Die Kirche ist nicht nur schön. Sie hat Runzeln und Falten. Kardinal Christoph Schönborn hat sein Amt in schwierigen Zeiten übernommen. Er hat die Kirche sehr gut geführt. Dafür bin ich ihm dankbar. Ich wünsche ihm von Herzen alles Gute.
RB: Sie selbst haben vergangenen Jänner Ihr zehnjähriges Amtsjubiläum als Erzbischof gefeiert.
Erzbischof Lackner: Ich bin gerne in Salzburg. Natürlich ist die Verantwortung groß und ich möchte ihr weiter entsprechen so gut es geht. Wobei es Gott ist, der überrascht. Er ist oft mehr dort, wo wir meinen, wir sind allein. Er ist oft mehr dort, wo wir meinen, da geht nichts weiter. Das Ringen im persönlichen Glaubensleben ist immer da. Der Glauben ist nie ausgemacht. Das gilt auch für den Bischof. Ich zweifle nicht, ob es Gott gibt. Vielmehr gilt – frei nach den Worten des hl. Augustinus: „Weil ich dich, oh Gott, gefunden habe, suche ich dich.“
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