Salzburg. Gute Absichten, manch richtungsweisende Reform, aber wenig Gespür für die Gefühle des Volkes und denkbar schlechtes „Marketing“ – so könnte man mit heutigen Worten die Amtszeit des letzten Salzburger Fürsterzbischofs Hieronymus Graf Colloredo zusammenfassen. War der vor knapp 250 Jahren zum Erzbischof gewählte Regent zu Unrecht eine Reizfigur? Mit dem Titel „Colloredo – Reformer in neuem Licht“ möchte die dritte und bislang umfangreichste Colloredo-Ausstellung im Salzburger DomQuartier einige Klischees entkräften.
Colloredo hatte bereits einen denkbar schlechten Start. Die Rede ist von 13 Wahlgängen, bis er 1772 überhaupt zum Salzburger Erzbischof gekürt war. „Wäre es nach der Bevölkerung gegangen, wäre der allseits beliebte Domdechant Ferdinand Christoph von Waldburg-Zeil der Nachfolger von Fürsterzbischof Schrattenbach geworden“, sagt Reinhard Gratz, Direktor des Dommuseums und Kurator der Sonderausstellung.
Das Volk war geschockt – und blieb es während der langjährigen Regentschaft des neuen Fürsterzbischofs (bis 1803 als weltlicher Herrscher; noch bis zu seinem Tod 1812 von Wien aus als geistliches Oberhaupt der Erzdiözese). Colloredo verstand sich als Reformer und Aufklärer, sein mitunter radikales Wirken wurde von den Menschen aber vor allem in Form von Verboten und Einschränkungen – etwa bei vielen Volksbräuchen – wahrgenommen. Unpopuläre Sparmaßnahmen, gestrichene Feiertage, abgespeckte Prozessionen, kein Metzgersprung, kein Sonnwendfeuer, keine Pferderitte zu Georgi und Leonhardi, keine Samson-Figuren, keine Krippen, keine Wallfahrten sowie auch eine Abwertung der Bruderschaften und weitere Einschränkungen fanden bei den Untertanen wenig Anklang.
„Es ist vieles abgeschafft und auf den Kopf gestellt worden, was gängige Praxis war. Er hat die bis dahin gültige Glaubenspraxis – besonders auch mit seinem Hirtenbrief von 1782 – in eine ganz andere Richtung gelenkt“, sagt Reinhard Gratz über Colloredo. Obwohl es schon Anfänge gab, habe „gefühlsmäßig erst er die Aufklärung nach Salzburg gebracht“. Und: „Er hat sich bemüht, für die Menschen bessere Umstände zu schaffen.“ Diese reichten von einer Gesundheitsreform inklusive Pockenschutzimpfung über eine bessere Versorgung der Armen, die Einführung der Grundsteuer (die gerechter war als die Kopfsteuer) bis zur öffentlichen Zugänglichkeit der Hofbibliothek für alle Bürger, der Gründung einer Zeichenschule und der Einrichtung eines Hoftheaters (am Ort des heutigen Landestheaters).
„Wäre Colloredo nicht gewesen, wäre es auch mit dem Erzbistum Salzburg vorbei gewesen. Einer neuen Aufteilung zufolge war ein Erzbistum Graz geplant, aber das scheiterte am Widerstand Colloredos“, ergänzt Gratz die Errungenschaften des ungeliebten Fürsterzbischofs um einen wichtigen kirchlichen Aspekt. Auszüge aus privaten Briefen zeigen den oft spröde und distanziert wahrgenommenen Colloredo außerdem „viel menschlicher und greifbarer“, betont der Archivleiter der Erzdiözese und Mitherausgeber des Ausstellungskatalogs, Thomas Mitterecker: „Er war sich bewusst, dass er nicht beliebt war und fürchtete ein Schicksal wie jenes des französischen Königs. ,Sie kündigen mir den Galgen an‘ lautet ein Zitat aus Colloredos Briefen.“
Ausstellung & Katalog
Colloredo – Reformer in neuem Licht
Die Ausstellung im DomQuartier wird noch bis 29. Mai gezeigt. Es gibt begleitend Führungen, eine Gesprächsreihe, ein Konzert und Stadtspaziergänge – sowie ein Begleitprogramm für Kinder und Jugendliche. Der sehr zu empfehlende Ausstellungskatalog beinhaltet Beiträge von 35 Expertinnen und Experten.
Infos unter: www.domquartier.at
Protagonisten der Colloredo-Ausstellung im DomQuartier (von links): Thomas Mitterecker (Leiter des Archivs der Erzdiözese und Mitherausgeber des Ausstellungskatalogs), Reinhard Gratz (Dommuseum-Direktor, Kurator) und Andrea Stockhammer (Direktorin des DomQuartiers).
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