Die kleine Anna springt fröhlich herum. Ihre Mutter schaut ihr nachdenklich dabei zu. Plötzlich beginnt Anna zu weinen. „Das macht sie oft“, erklärt die junge Frau „seit dem plötzlichen Tod ihres Vaters vor ein paar Monaten.“ Sie nimmt die Kleine in die Arme und tröstet sie.
Solche Situationen kennt Silke Höflechner-Fandler, pädagogische Leiterin von RAINBOWS Österreich, gut. RAINBOWS ist seit 1991 in Österreich aktiv und unterstützten Kinder und Jugendliche in stürmischen Zeiten – bei Trennung, Scheidung oder Tod einer Bezugsperson in Form von Kleingruppen-Treffen. „Dort haben Kinder einen Rahmen, über ihre Gefühle zu sprechen. So merken sie: anderen Kindern geht es genauso. Durch die Unterstützung der Kinder und Jugendlichen erfahren auch die Eltern Entlastung.“
„Zuerst wollte ich meine Tochter vor allem Traurigen schützen, aber dann habe ich gemerkt: Das geht nicht“, erzählt die junge Mutter. Silke Höflechner-Fandler weiß, welches Bemühen dahinter steht: „Natürlich möchten wir unsere Kinder vor allem Traurigen bewahren. Aber die Trauer ist ein Gefühl, das genauso zum Leben gehört, wie Freude, Wut oder Angst. Kinder werden dann am besten aufs Leben vorbereitet, wenn sie von Anfang an den Umgang mit allen Gefühlen lernen. Es gibt keine guten oder schlechten Gefühle, auch wenn manche unangenehm sind.“
„Als wir von der Krankheit meines Mannes erfuhren, hat Anna das sofort gemerkt. Sie hat ihm was gebastelt oder vorgelesen“, berichtet die Mutter. „Kinder spüren schnell, wenn etwas anders ist als sonst“, ist Silke Höflechner-Fandler überzeugt. „Wenn man nicht offen mit ihnen darüber spricht, stellen sie Vermutungen an.“
Man dürfe als Mutter oder Vater seine Tränen vor dem Kind zeigen und den Kindern das Trauern ruhig zutrauen. Kinder lernen den Umgang mit ihren eigenen Gefühlen vor allem durch die Erwachsenen – sie seien die „Gefühls-Vorbilder“.
„Kinder trauern mehr in Etappen“, weiß die Expertin. „So kann es sein, dass sie gerade tieftraurig sind und im nächsten Moment lustig herumlacht und spielt. Das irritiert Erwachsene manchmal, ist aber normal und gesund, da sich die Kinder damit schützen. Kinder springen in Trauerpfützen hinein- und hinaus, während Erwachsene oft im Trauersee baden.“
Trauernde Kinder hätten unterschiedliche Weisen, mit ihren Gefühlen umzugehen. Bei dem einen Kind ist Bewegung wichtig, beim anderen, dass es vielleicht zeichnen oder mit Ton arbeiten kann. Das kommt ganz auf die Persönlichkeit an. Sie müssen aber auch über die/den Verstorbenen reden dürfen, Bilder anschauen, Geschichten erzählen. Denn die Beziehung zu dem Verstorbenen geht durch den Tod nicht verloren, sie wird nur anders.“
Silke Höflechner-Fandler, pädagoische Leiterin von RAINBOWS Österreich
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