Salzburg. „Ich weiß nicht, wie wir uns das leisten können, aber Niklas will unbedingt das neueste Handy“, klagt Anna, alleinerziehende Mutter von vier Kindern. Niklas ist gerade 16 geworden und spielt in einem Verein Fußball. Seit ein paar Tagen spricht er von nichts anderem mehr, alle in seiner Mannschaft hätten eben dieses Handy, nur er nicht. Mit Wutausbrüchen und Trotz versucht er seine Mutter unter Druck zu setzen. Keine leichte Zeit für die junge Frau, denn auch ihre 14-jährige Tochter Lotte fühlt sich von ihrer Mädchenrunde ausgeschlossen, weil sie bei einer Mutprobe nicht mitgemacht hat. „Meine Freundinnen haben gemeint, es ist cool zu rauchen. Ich habe da nicht mitgemacht. Deswegen wurde ich ausgelacht. Sie haben mich als Feigling beschimpft und mir gedroht, falls ich jemanden davon erzähle. Nun bin ich sogar aus der Gruppe ausgeschlossen“, erzählt Lotte traurig.
„Nicht mehr dazuzugehören, ist für meine Kinder eine schlimme Erfahrung. Als soziale Wesen wollen sie nicht im Abseits stehen. Auf der anderen Seite lässt es meine finanzielle Situation nicht zu, auf all diese Wünsche einzugehen und ich bin auch überzeugt, dass dies nicht der richtige Weg wäre“, sagt Anna.
Ilona Kotolácsi Mikóczy ist Juristin und Obfrau von „SalzUNG“, einem Salzburger ungarischen Verein. Auch sie suchte für ihre Familie eine Lösung. „Wir kommen aus Ungarn und für uns ist es selbstverständlich jeden Sonntag mit den vier Kindern in die Kirche zu gehen und gemeinsam die Messe zu feiern. Wegen unserer Sprache und unserem Glauben reagierten die anderen Kinder befremdlich.“ Warum macht ihr das? Ist das komisch? Mit diesen Aussagen waren die Kinder von Mikóczy konfrontiert.
„Das erzeugte ein UFO-Gefühl bei unserem Nachwuchs. Ausgrenzung ist immer schmerzhaft“, erklärt Ilona Kotolácsi Mikóczy die Reaktion und zeigt einen Weg auf, der zum Wertesystem ihrer Familie passt. „Wir treffen uns außerhalb der Schule mit einer Gruppe von Gleichgesinnten und Freunden. Das funktioniert sehr gut und unsere Kinder fühlen sich hier aufgehoben und angenommen.“
Passend zu diesem Thema veranstaltet der Verein ein Erasmusprojekt mit dem Titel „Gib acht“. Dabei geht es für Jugendliche und große Erwachsene um ein Drogenpräventionstraining. „Junge Menschen sollen lernen Nein zu sagen zu allen Arten von Rauschmitteln“, unterstreicht die vierfache Mutter.
Interview
mit Johannes Czifra, Leiter des Referats für Ehe und Familie der Erzdiözese
RB: Was soll man als Eltern einem Kind raten, das sich verstellen muss, um zu einer Gruppe zu gehören?
Johannes Czifra: Bemerken Eltern, dass sich ihr Kind verändert, ist Herzensnähe gefragt: Entwicklungsschritte sind oft mit Schwierigkeiten verbunden. Jugendliche stehen vor der großen Herausforderung, ihren Platz in der Welt auszuloten und ihre eigenen Talente immer mehr zu entdecken. Dabei spielt das Zuhause eine wesentliche Rolle. Wenn ich mich aussprechen kann und ohne jede Vorleis-tung angenommen bin, kann ich mit Herausforderungen besser umgehen. Auch wenn der Kontakt zu Gleichaltrigen wichtig ist, bleibt es immer Aufgabe der Eltern, ihren Kindern Zeit und Zuspruch zu schenken.
RB: Macht es für die Eltern Sinn, das Gespräch mit der Gruppe zu suchen?
Czrifra: Das hängt sicher davon ab, wie gut die Eltern die „Freunde“ der eigenen Kinder kennen. Jugendliche schätzen bestimmt immer, wenn man sie ernst nimmt und das konstruktive Gespräch sucht, wenn man auf Gefahren hinweist und ihnen zu spüren gibt, dass es um ihr Wohl geht. Diejenigen, die Druck auf andere erzeugen, begeben sich ja auch in eine Sackgasse, die sie langfristig nicht glücklich machen kann.
RB: Wie kann eine derartige Situation gelöst werden? Was sollen Eltern tun, wenn sie merken, dass das eigene Kind unter Gruppenzwang leidet?
Czifra: Für Eltern kann es hilfreich sein, sich mit anderen Familien zu vernetzen. Kindern tut es gut, außerhalb der Klasse oder dem Freundeskreis Orte zu haben. Gerne stellen wir bei Bedarf Kontakte her, auf der Suche nach solchen Orten.
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