Lachisch. Salome war ein gebräuchlicher jüdischer Name. Im Neuen Testament tauchen mindestens drei Frauen mit diesem Namen auf. Die vierte Salome steht allerdings nicht in der Bibel, sondern in den so genannten Apokryphen. Dabei handelt es sich um Texte, die nie allgemein in der Kirche Verwendung fanden. Es sind Evangelien und Geschichten, die zwischen 200 vor bis zirka 400 nach Christus entstanden und unter dem Namen eines Apostels überliefert werden. Solche Texte reichen von Kindheitserzählungen über Worte des Auferstandenen an seine Jünger bis zu Apostelgeschichten mit teilweise recht kuriosen Ereignissen.
Im apokryphen Jakobus-Evangelium wird die mysteriöse Figur der Hebamme Salome genannt. Sie kommt zu spät, um Maria zu helfen. Das Kind ist bereits geboren. Eine nicht genauer benannte Hebamme, die während der Geburt anwesend war, tritt voller Freude aus der Höhle, in der Maria Jesus zur Welt gebracht hat, und berichtet Salome: „Ich habe dir ein nie dagewesenes Schauspiel zu erzählen. Eine Jungfrau hat geboren, was doch ihre Natur nicht zulässt.“
Salome reagiert auf die Neuigkeit mit großer Skepsis: „So wahr der Herr, mein Gott, lebt: Wenn ich nicht meinen Finger hinlege und ihren Zustand untersuche, werde ich nicht glauben, dass eine Jungfrau geboren hat.“ Die Hebamme, überzeugt von der Jungfräulichkeit Marias, befiehlt dieser, sich für eine Überprüfung bereitzulegen. Ein „nicht geringer Streit“ bestünde um sie. Maria tut, wie ihr geheißen. Daraufhin legt Salome zur Untersuchung von Marias Zustand ihren Finger hin. Das genügt, um sie ihren Irrtum erkennen zu lassen. So schreit sie auf: „Wehe über meinen Frevel und meinen Unglauben, denn ich habe den lebendigen Gott versucht. Siehe, meine Hand fällt von Feuer verzehrt von mir ab.“
Salome fleht Gott um Erbarmen an. Da erscheint ein Engel vor ihr und verspricht ihr Heilung: „Salome, Salome, der Allherrscher hat dein Gebet erhört. Streck deine Hand aus zu dem Kind und nimm es auf den Arm! So wird dir Freude und Heil zuteil werden.“ Voller Freude tritt Salome zum Kind. Sie nimmt es hoch und spricht: „Ich will ihn anbeten, denn Israel ist ein großer König geboren.“
In der ostorthodoxen Kirche wird Salome oft neben der ersten Geburtshelferin dargestellt. „Sie ist eine geheimnisvolle Figur“, sagt der israelische Archäologe Zvi Firer. So geheimnisvoll wie ihre Grabstätte. Obwohl die „Salome-Höhle“ im Wald von Lachisch (nahe Jerusalem) bereits 1982 von Grabräubern ausfindig gemacht und geplündert wurde, bestätigen erst die jüngsten Ausgrabungen die Vermutung auf die ursprünglich darin zur Ruhe gebettete Person. Dazu gehört die in den Stein geritzte Inschrift: „Salome, die Marias Hebamme war.“
Laut der israelischen Altertumsbehörde reichen die zahlreichen Graffiti in altgriechischer und arabischer Sprache aus, um zu beweisen, dass es sich um die Höhle der heiligen Salome handle. Darunter die Worte „Salome“, „Jesus“, die Namen von Pilgern und in die Wand geritzte Kreuze.
Die „Salome-Höhle“ wurde erstmals in byzantinischer Zeit von einheimischen Christen als Grabstätte der aus Betlehem stammenden Hebamme identifiziert, woraufhin sie sich zu einem Wallfahrtsort entwickelte. Und die neuesten Funde liefern weitere Beweise dafür, dass die Höhle trotz der muslimischen Eroberung der Region bis ins 9. Jahrhundert ein wichtiger Wallfahrtsort für Christen war.
„Wir glauben, dass Pilger hierher kamen, eine Öllampe mieteten, um drinnen in der Höhle ihre Gebete zu verrichten. Ähnlich wie heute, wenn man zum Grab eines verehrten Rabbiners oder in die Kirche geht und dort eine Kerze anzündet“, erläutert Zvi Firer. Die „Salome-Höhle“ umfasst mehrere Kammern mit in den Fels gehauenen Grabnischen und zerbrochenen steinernen Gebeinkästen, so genannten Ossuarien, die auf jüdische Bestattungssitten hinweisen. Offensichtlich wurde der Ort in der byzantinischen und frühislamischen Zeit weiter als Grabanlage genutzt.
Zur Höhle gehört ein rund 350 Quadratmeter großer Vorhof mit Mosaikböden. Bei den Eingängen sind einige der Steine mit feinen dekorativen Pflanzenmustern verziert. Rosetten, Granatäpfel, Akanthusvasen – alles zeugt davon, dass das Grab einer wohlhabenden jüdischen Familie gehörte. Bei den Ausgrabungen wurde auch eine Reihe von Verkaufsständen mit Hunderten von teils zerbrochenen, teils noch intakten Tonlampen freigelegt.
„Sobald die Restaurierungs- und Erschließungsarbeiten abgeschlossen sind, werden Vorplatz und Höhle für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht“, erklärte Saar Ganor, Direktor des Projekts „Judean Kings‘ Trail“, einem 100 Kilometer langen Pfad von Be’er Scheva nach Bet Guvrin mit Dutzenden bedeutender archäologischer Stätten. „Denn immer noch betreten manche Pilger illegal das Grab, wie moderne religiöse Gegenstände, Ikonen und Kerzen in den Innenräumen belegen. Doch wir hoffen, dass es die offizielle Eröffnung der Höhle einer größeren Anzahl von Menschen ermöglichen wird, die Stätte sicher zu erleben“, sagt der Archäologe.
Quellen
Silvia Pellegrini: Das Protevangelium des Jakobus. In: Christoph Markschies, Jens Schröter (Hrsg.): Antike christliche Apokryphen in deutscher Übersetzung (7. Auflage, Band I, Tübingen 2012).
www.timesofisrael.com/burial-cave-dedicated-to-jesus-midwife-salome-reveals-treasures-ahead-of-opening
www.archaeology.wiki/blog/2022/12/21/a-2000-year-old-family-tomb-was-uncovered-in-the-salome-cave/
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