Salzburg. „Der Oberhirte – von Volk und Ständen begeistert begrüßt.“ Dieser Satz gehört zu den Standardfloskeln erzbischöflicher Chronisten. Doch vor 200 Jahren war es in Salzburg tatsächlich so! Hymnen, Gedichte, Oden wurden zu Ehren von Erzbischof Augustin Gruber (von 1823 bis 1835 im Amt) verfasst.
Die Vorgeschichte: Salzburg befand sich in einer depressiven Lage: Das Erzstift 1803 säkularisiert; ab 1816 politisch Linz unterstellt; die Diözese auf ein Fünftel geschrumpft und jahrelang ohne Führung; kein Priesternachwuchs; die Bevölkerung kriegsmüde und verarmt. „Religionsschwärmerei und Sittenverfall“ lauteten die Klagen.
Die Wiedererrichtung des Erzbistums stellte insofern den einzigen Hoffnungsschimmer dar. Kaiser Franz I. und Papst Pius VII. hatten sich schließlich auf den Fortbestand geeinigt –
trotz Einflüsterungen, man möge Salzburg doch Wien unterordnen. Rom hätte auf das „lästige“ Wahlrecht des Domkapitels gerne verzichtet, aber Wien begnügte sich mit der diesmaligen (und einmaligen) Ernennung eines Bischofs von Salzburg.
Der Kaiser setzte dabei auf seinen früheren Hofrat Augustin Gruber, den damaligen Bischof von Laibach. Diese Nähe der beiden blieb künftig auch für Salzburg nützlich: etwa bei der Genehmigung eines ständigen Weihbischofs sowie bei der Neuorganisation der Stifte Seekirchen (1833) und Mattsee (1840). Erstmals besetzte mit dem Kaufmannssohn Augustin Gruber ein Bürgerlicher den Stuhl des heiligen Rupert. Zwar in Wien gebürtig (1763), hatte er jedoch seine familiären Wurzeln in Tirol: beim Gruebhof in Hinterthiersee. Er selbst tauschte eher ungern „das fromme Krainer-Völkchen“ in Laibach gegen die „weniger frommen“ Salzburger und Tiroler.
Die einzigartigen Privilegien der Salzburger Metropole, insbesondere bei der Bestellung der Bischofsstühle der so genannten Eigenbistümer Seckau, Lavant und Gurk, konnten also erhalten bleiben.
Das Salzburger Domkapitel hatte nach dem Ableben von Erzbischof Colloredo (1812) nicht in der vorgesehenen Frist vom Wahlrecht Gebrauch gemacht. Daher bedurfte es 1825 für den Amtsantritt von Erzbischof Gruber einer neuerlichen päpstlichen Bestätigung: Adel war „dermalen“ nicht mehr Voraussetzung, dafür jedoch die Priesterweihe. Für frühere Besitzungen (so im Lungau) sollte er sogar sechs Häuser bekommen; zwei davon sind noch heute ausständig...
Am 16. Februar 1823 präsentierte Kaiser Franz schließlich (aus zwölf Bischöfen) seinen ihm vertrauten Religionspädagogen Gruber. Dieser wählte in der Stadt Salzburg den Chiemseehof als Residenz. Sehr bald nahm der Erzbischof jeden Donnerstag katechetische Vorlesungen im Priesterseminar auf, die sogar als Lehrbücher erschienen.
Augustin Gruber legte besonderen Wert auf die Berücksichtigung einer Gefühls- und religiösen Erlebniswelt – als Gegenpol zur rationalistischen Aufklärung seines bischöflichen Vorgängers Colloredo. „Dem Volk nicht Ärgernis geben“ und „kein Wissen, das aufbläht, sondern aufbauet“ lauteten seine Leitsätze. Und er zeigte wieder deutlich mehr Verständnis für religiöses Brauchtum. Wir müssen in die Kirche „mit reiner heiliger Meinung“ kommen, mit Andacht verweilen und „mit festen Vorsätzen, gottgefällig zu leben, hinaus gehen“.
Seine unermüdlichen Visitationsreisen – manche sogar zu Fuß – führten den Erzbischof in Pfarren, die seit Jahrzehnten keine Firmung mehr erlebt hatten. In den ersten vier Jahren schaffte er fast die gesamte Diözese, einzelne Tiroler Pfarren sogar zweimal. Er verordnete priesterliche Hausbesuche und Christenlehren in allen Gehöften.
Mit Geschick und einem gemeinsamen Papstbesuch mit Anführer Sebastian Manzel vermied er, dass die so genannten „Manhartisten“ im Brixental stärker Fuß fassten. Die Gruppe war gegen religiöse Neuerungen und gegen Priester, vereidigt auf den „Antichristen Napoleon“, eingestellt. Weniger Erfolg hatte der Erzbischof bei den Zillertaler Geheimprotestanten, die auch nach der großen Emigration 1731/34 lutherisch blieben – obwohl er selbst zu persönlichen Gesprächen einlud.
Erzbischof Augustin Grubers Testament war zu entnehmen, dass er den Armen jeweils über 2.500 Gulden im Jahr zugewendet hatte. Es gab also nichts zu erben, außer eine innerlich erneuerte Volkskirche, von weltlich-politischen Sorgen befreit. Er war kein Avantgardist, befindet sein Biograf Peter Unkelbach, aber „ein beachtenswerter Geistlicher“, der in chaotischen Zeiten die Salzburger Kirche in ruhige Gewässer geführt habe. Erinnerungen an diesen geschichtswichtigen Kirchenfürsten – wie bei vielen anderen Erzbischöfen üblich – gibt es in Salzburg kaum. Eine Würdigung Grubers, etwa in Form eines Straßennamens, sucht man in der Landeshauptstadt nach wie vor vergeblich.
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