Salzburg. „Männer nehm‘n in den Arm, Männer geben Geborgenheit, Männer weinen heimlich, Männer brauchen viel Zärtlichkeit, oooh Männer sind so verletzlich...“ Schon der Sänger Herbert Grönemeyer wusste, dass Männer und ihre Gefühle ein ganz eigenes Kapitel sind. Davon können auch Martin Auer und Wolfgang Czerny ein Lied singen. Die beiden Lebens- und Sozialberater begleiten im Bildungszentrum St. Virgil seit März die aktuell wohl einzige Salzburger Trauergruppe für Männer „Wenn Männer schwarz sehen“.
Ob Todesfall oder Beziehungsende, die Menschen gehen mit ihrer Trauer ganz unterschiedlich um, inklusive geschlechtsspezifischen Besonderheiten von Frauen und Männern. „Verallgemeinerungen sind immer mit Vorsicht zu genießen, aber grundsätzlich beobachten wir bei Verlusterfahrungen, die nicht mit einem Todesfall zusammenhängen, eine große Unsicherheit bei den Männern. Sie haben Schwierigkeiten, ihre Gefühle richtig zu benennen und fragen sich: Ist das überhaupt Trauer, wenn eine Partnerschaft zu Bruch geht? Erst auf Nachfrage gestehen sie sich ein: Ja, ich bin tatsächlich traurig“, beschreibt Czerny das Gefühlschaos.
Die Herangehensweise bei der Trauerbegleitung will auch aus anderen Gründen wohl durchdacht sein. Frauen reden erfahrungsgemäß viel und gern über ihre Gefühle, um schlimme und tragische Erlebnisse aufzuarbeiten, Männer sind hingegen auf das Funktionieren geschult. Problemlösungen müssen rational und zielgerichtet sein. „Ganz viel geht ins Tun, ins Handeln. Da ist es einfacher, wütend auf die Frau zu sein, die mich verlassen hat, als mich Gefühlen wie Trauer, Hilflosigkeit, Ausweglosigkeit und Ohnmacht zu stellen“, beobachtet Czerny. Und diese Hilflosigkeit werde oft mit Arbeit, Alkohol oder Drogen „zugedröhnt“.
Für ihre Trauerbegleitung nutzen die Experten diese einschlägigen Erkenntnisse. Martin Auer erklärt: „Methodisch unterscheiden wir uns von anderen Gruppen, wo fast ausschließlich geredet wird, indem wir auch sehr konkret und direkt arbeiten. Zum Thema ,Schweres ertragen‘ lassen wir die Teilnehmer beispielsweise eine schwere, dreckige Eisenstange in die Hand nehmen – und sofort sind da etliche Fragen: Halte ich sie so, bekomme ich Kreuzweh und schaffe es nicht lange. Halte ich die Stange anders herum, werde ich dreckig, dafür tut mir das Kreuz nicht so weh. Ich will sie eigentlich gar nicht nehmen und lasse sie liegen, aber dann stolpere ich später darüber. Dazu kommen den Männern ganz viele Ideen und Metaphern in den Sinn, denn was sich mit der Stange physisch abspielt, spielt sich beim Trauerprozess psychisch ab – und das reflektieren wir dann in der Gruppe.“
Nach dem ersten „Türöffner“ sind die Trauernden in der Regel mit Feuereifer dabei, auch wenn anfangs noch Skepsis überwiegt. „Jetzt tun wir uns aber bitte nicht umarmen“, schildert Wolfgang Czerny die typische Reaktion eines Teilnehmers vor der ersten praktischen Übung. Doch schon bald wird der positive Effekt einer „sicheren“ Gruppe mit Gleichgesinnten spürbar. Die Teilnehmer beginnen sich zu öffnen, brechen aus der typisch männlichen „Sprachhöhle“ aus und beschreiben, was in ihnen vorgeht. „Wir ermutigen sie, über ihre Trauergefühle zu reden und den anderern zuzuhören. Da erfährt jeder eine Wertschätzung und Anerkennung für die Situation, in der er sich befindet – auch dem anderen gegenüber. Das ist eine Wechselwirkung, die eine irrsinnige Kraft hat: Ich werde mit meiner Not gesehen, ich darf darüber reden.“
Stichwort „Sprachlosigkeit“: Martin Auer hatte einmal einen „sprachlich unheimlich versierten“ Politiker in seiner Beratung. „Der hätte aus dem Stand eine Rede halten können, war aber nicht fähig, über Beziehungen zu sprechen. Gut reden können ist das eine, gut über Emotionen reden zu können, etwas völlig anderes“, erklärt Auer.
Drei Viertel der Suizidtoten und zirka 80 Prozent der Alkoholkranken sind Männer, dennoch fehlt es häufig an Männerberatungsstellen. „In der Stadt findet man diese noch eher, aber am Land ist es oft schwierig“, sagen die Experten, die sich nicht als Therapeuten, sondern als „Wegbegleiter“ verstehen. Auf die Frage „Was ist im Leben wichtiger, der Weg oder das Ziel?“ lautet ihre unmissverständliche Antwort: die Weggefährten.
Tipp
Eine Trauergruppe für Männer gibt es im Bildungszentrum St. Virgil ab 6. September wieder. Anmeldung und Infos unter: www.virgil.at/bildung (anmeldung@virgil.at). Vor der Teilnahme erfolgt ein persönliches Vorgespräch.
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