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Ungewohnt präsentiert sich gerade das Bildungszentrum Borromäum. Ein weißes, aufblasbares Einhorn und bunte Lampions weisen den Weg zu den Seminarräumen, die als Spiel, Bastel- und Ausspannoasen zweckentfremdet sind. Verantwortlich für die Verwandlung sind die Macherinnen des inklusiven Feriencamps (I-Camps) von Caritas und Erzdiözese Salzburg. Das Borromäum im Salzburger Stadtteil Parsch ist erstmals Schauplatz. Ein Rupertusblattbesuch zeigt wie „Sommer, Sonne, Feriencamp“ in und um die altehrwürdigen Mauern geht. „Du bist ein Wunder, du machst mein Leben bunter. Wir sind alle verbunden, niemand bleibt hier allein…“ Der neue Text, den das Feriencampteam einem bekannten Radiohit verpasst hat, sitzt. Alle stimmen ein – die sieben Betreuerinnen und erst recht die dreizehn Buben und Mädchen. Es ist Freitagnachmittag und eine weitere Woche des I-Camps in der Stadt Salzburg ist beinahe vorüber. Maria-Quiyen Jenny, die pädagogische Leiterin, fordert ihre Schützlinge auf, die Höhepunkte der vergangenen Tage zu nennen. Vor allem der Ausflug ins nahe gelegene Volksgartenbad ist noch in lebhafter Erinnerung. „Das Schwimmen und die Wasserrutsche waren toll.“ Doch das schönste Resümee zieht letztlich Viktoria. „Am besten gefallen hat mir, dass wir immer etwas zusammen gemacht haben.“ Zusammen heißt in diesem Fall, Kinder mit und ohne Behinderung. Gut die Hälfte der jungen Feriengäste im Borromäum hat eine Beeinträchtigung. „Als ich Viktoria darauf angesprochen habe, hat sie nur gemeint: Echt, das ist mir gar nicht aufgefallen.“ Diese Aussage ihrer Neunjährigen ist für Regina Tockner die Bestätigung, „dass unser Ziel der Inklusion aufgegangen ist“. Entscheidend sei die „gute Mischung und das Dasein von genügend Betreuungspersonen“, sagt Tockner, die aus zwei Perspektiven auf die Ferienbetreuung schaut. Zum einen als Mama der beiden Camp-Teilnehmerinnen Viktoria und Valeria, und zum anderen als zuständige Caritas-Mitarbeiterin. Drei Schauplätze, 200 Kinder hat als Standort Tradition. Organisatorin war lange der Verein „Handicap – kein Hindernis“, bis vor einigen Jahren die Erzdiözese gemeinsam mit der Caritas übernommen hat. Die Covid-19-Pandemie gab den Ausschlag, das Angebot heuer räumlich und zeitlich auszuweiten. Aufgrund der strengen Sicherheitsauflagen sind nur kleine Gruppen möglich, doch der Bedarf ist so groß wie nie. „Eltern hatten ihren Urlaub aufgrund der Krise zum Teil schon vor dem Sommer aufgebraucht“, weiß Tockner, die keine Probleme hatte, die Plätze an den drei Schauplätzen zu füllen. 200 Kinder nehmen insgesamt teil. „Neben der Stadt Salzburg war heuer in Tamsweg Premiere. Wir waren schnell ausgebucht“, freut sich die Inklusions-Expertin der Caritas, die im Lungau auf gleich mehrere Kooperationspartner zählen kann: Hilfswerk, KEM Lungau (Klima- und Energiemodellregion), Regionalverband und Forum Familie. „Es ist gut angelaufen und die Kinder haben sich schon am Korbflechten ausprobiert und Kräuter gesammelt.“ Berührend sei das Telefonat mit einer Mutter gewesen. „Sie leitete mir den Wunsch ihrer Tochter weiter, die nach nur einem Tag meinte: Darf ich länger als die eine geplante Woche bleiben? Es hat mir doch so gefallen.“ Auch eine Betreuerin habe ihr berichtet, wie die Kleine, die sich sonst nur wenig zutraue, richtiggehend aufgeblüht sei. „Zum Glück können wir diese Anfrage auf Verlängerung ermöglichen.“ „Wir machen keine Unterschiede“ Spaß und unvergessliche Momente erleben nicht nur die Kinder. „Als Betreuerinnen sehen wir uns als Teil der Gruppe, die gemeinsam einfach eine schöne Ferienzeit verbringen möchte“, bringt es Maria-Quiyen Jenny auf den Punkt. Die übernommene Verantwortung sei natürlich immer präsent.Gibt es manchmal ein extra Programm für die Kinder mit Beeinträchtigung? „Natürlich nicht“, antwortet Jenny bestimmt und ergänzt: „Wir dürfen die Kinder nicht unterschätzen.“ Die ausgebildete Pädagogin hat ihren Lebensmittelpunkt eigentlich in Sizilien. Das inklusive Feriencamp holte sie wieder in die Heimat zurück. „Es ist echt ein Herzensanliegen“, unterstreicht die junge Frau, in deren Händen seit einigen Jahren die pädagogische Leitung liegt. Sie fühle sich sehr wohl im Team und verweist dabei zuallererst auf Barbara Schubert vom Seelsorgeamt der Erzdiözese, „ohne die bei den inklusiven Ferien nichts läuft“. Einen Sommer ohne Camp kann sich auch Betreuerin Maria Christina Felzmann nicht mehr vorstellen. „Manche Kinder kenne ich ja schon aus den Vorjahren. Da ist das Wiedersehen herzlich.“ Ein wenig bedauere sie es, dass es heuer „nur“ Mini-Gruppen gebe. „Wenn 40 Kinder um dich herumwuseln, das ist noch einmal etwas ganz anderes.“ Doch sie ist sehr froh, dass die Ferienwochen überhaupt stattfinden – wenngleich zusätzlicher Aufwand dazugekommen ist wie das Desinfizieren der Spielsachen. Feriencamps kommen wieder Corona hat die Verantwortlichen einige Nerven gekostet. Abstands- und Hygienefragen mussten gelöst und die Gruppengröße angepasst werden. Wenn alle an einem Strang ziehen, sei eben vieles möglich, ist Regina Tockner überzeugt, die dabei die Sponsoren einschließt. „Unser Betreuungsschlüssel ist notwendig, aber halt ein großer finanzieller Brocken. Deshalb sind wir über jeden Euro froh.“ Rosen streut sie in Richtung der Erzdiözese und des Borromäums. „Die Räume sind ideal, genauso wie die Nähe zum Stadtzentrum. Wir würden uns freuen, wenn wir nächstes Jahr wiederkommen dürfen.“ Eine Fortsetzung soll es 2021 auf jeden Fall geben. Geplant ist sogar das Angebot in den Pinzgau und den Pongau zu bringen und hier neue Kapitel der Erfolgsgeschichte I-Camps zu schreiben. Inklusion – Im Alltag noch ausbaufähig „Für mich war und ist Inklusion etwas Selbstverständliches. Das hat schon im Kindergarten angefangen“, sagt Maria-Quiyen Jenny (27), die später als Pädagogin selber in einer inklusiven Schule gearbeitet hat. Aber sie merke schon, dass etwa bei gleichaltrigen Menschen mit Beeinträchtigungen es an Freizeitangeboten mangle. „Inklusion muss für alle möglich sein“, unterstreicht Jenny. Eigentlich sollten wir bereits in einer inklusiven Gesellschaft leben, die allen gleiche Rechte und Chancen gewährt, in der nicht unterschieden wird, ob ein Mensch eine Behinderung hat oder eben nicht. Das besagt zumindest die UN-Behindertenrechtskonvention, die 2008 in Kraft getreten ist. Regina Tockner, Fachbereichsleiterin für Elementarpädagogik bei der Caritas, macht im Alltag noch zu wenig Inklusion aus. „Die Vielfalt und das Miteinander gehören noch mehr in die Kindergärten und in die Schulen. Kinder sollten die Erfahrung so früh wie möglich machen, damit sie erst gar keine Scheu entwickeln.“ Sie erlebe zu oft eine Gesellschaft, in der die Ellbogen ausgefahren und Menschen mit Behinderung und an den Rand gedrängt werden. Umso wichtiger sind Angebote wie die inklusiven Ferienwochen. Das bestätigt Mitorganisatorin Barbara Schubert. Sie ist Referentin für Pastoral mit Menschen mit Behinderungen in der Erzdiözese und weiß, die I-Camps setzen auch ein politisches Statement. Sie zeigen: „Ja, Inklusion geht!“
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