RB: Ein Benediktiner und ein Vertreter der Kolpinghausfamilie. Was bringt Abt Johannes Perkmann und den Geschäftsführer Karl Zallinger zusammen?
Karl Zallinger: Eine mittlerweile langjährige freundschaftliche Verbindung. Auch das Jugendpastoralinstitut in Benediktbeuern hat eine Rolle gespielt, weil Abt Johannes dort eine Ausbildung erfahren hat. Daher kam die Idee, dass der Herr Abt den Impuls für den Festakt geben kann, weil er aus der Jugendpastoral kommt und uns und die Jugend bestens kennt. Seine Fachlichkeit, seine Theologie und seine Spiritualität prädestinieren ihn dafür.
Abt Johannes Perkmann: Ich bin Kolpingmitglied seit frühesten Tagen. Wir haben in der Pfarre Maxglan überlegt, was wir konkret machen können. Nachdem es schon eine Jugendgemeinschaft gab, ist das dann eine Jung-Kolpinggruppe geworden.
RB: Das Kolpinghaus – was ist das für Sie genau?
Perkmann: Ein christliches Biotop, wo Menschen zusammenarbeiten und Werte erleben. Ein Ort, wo junge Leute die Chance bekommen, gemeinschaftlich und spirituell vorwärtszukommen.
RB: Welche Werte vermittelt das Kolpinghaus?
Zallinger: Personalität, Solidarität, Subsidiarität sind große Werte der Kolpingfamilie. Diese gilt es aber auch konkret umzusetzen. Wenn ich junge Menschen nicht ernst nehme, dann wird das nicht ankommen. Was sie bei uns im Haus schätzen, ist diese Atmosphäre. Wir interessieren uns für ihre Persönlichkeit und dass sie willkommen sind. Dieses positive Wohlwollen müssen auch unsere 42 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Haus leben, sonst läuft das nicht. Wenn wir von Solidarität reden, dann reden wir von Mitgestalten, Verantwortung übernehmen. Die jungen Menschen haben sich im Haus zu beteiligen. Der großen Passivität, unter der die Jugendlichen leiden, versuchen wir bewusst entgegenzuwirken. Das Motto dabei: Weg vom Handy oder Computer. Da gilt es in Beziehung zu treten. Beziehungsfähigkeit sehe ich als spirituelles Prinzip an. Aufeinander zu schauen und sich wertschätzend zu begegnen, auch mit Problemen umzugehen, ist ein hoher Wert.
Mehr Depressionen und eine allgemeine Hoffnungslosigkeit
Perkmann: Seelsorge ist, wenn man auch das Umfeld im Blick hat. Wir bemerken in unserer Schule in Michaelbeuern, dass Depressionen mehr werden, dass sich eine allgemeine Hoffnungslosigkeit breit macht, die manche besonders dramatisch befällt. Wir nehmen das sehr ernst und haben in der Schule das Vertrauenslehrerteam gestärkt, schaffen also Präventionssysteme. Wir denken uns in die Situation der Jugendlichen hinein: Was sind die Untiefen ihres Lebens?
RB: Wie stellt man den gemeinsamen christlichen Geist, der vieles zusammenhält, sicher?
Zallinger: Ich glaube, wir haben im Portfolio unserer Mitarbeitenden kaum noch praktizierende Christen. Aber wenn die grundsätzlichen Werte, die im Christentum zählen, von uns gelebt werden, verträgt der Atheist das genauso, wie der Muslim. Kolping war in seiner Zeit der Erste, der Protestanten in den Verein aufgenommen hat. In den alten Kolpinghäusern schmückten vier Begriffspaare die Wände: Eintracht und Friede, Frohsinn und Scherz, Arbeitsamkeit und Fleiß und Glaube. Das muss eine Gemeinschaft ausmachen.
RB: Kloster- und Heimleben – ähnlich und doch verschieden?
Perkmann: Gemeinschaftsleben darf nicht idealisiert werden. Es ist Arbeit, aber eine schöne Arbeit. Im Falle der benediktinischen Regel geht unser Gründer von ganz normalen Leuten aus und schreibt auch über Schwierigkeiten, die das Leben bietet. Benedikt stellt sich dem durch eine gemeinsame spirituelle Ausrichtung. Den Glauben in den Alltag zu übersetzen, damit dadurch ein gemeinsames Leben entsteht, ist die Devise. Es braucht eine klare transparente Führung und Strukturen, die Alltagsbedürfnisse wie essen, trinken, gemeinsame Zeit ordnen. Bei Konflikten, Leid- oder Gewalterfahrungen braucht es Räume und Rituale, die uns zeigen: Es gibt eine größere Wirklichkeit, die uns trägt.
Zallinger: Unsere Heimbewohner sind im Altersdurchschnitt etwas jünger (lacht) und den ganzen Tag – ob im Betrieb oder in der Schule – unter Druck und am Schaffen. Mir ist wichtig, dass sie bei uns im Haus durchschnaufen können und entspannen. Wir haben eine christliche Mitte, eine Quelle, die uns unterscheidet von anderen Heimen. Wenn etwas passiert, das die Heimgemeinschaft berührt – im Guten, wie im Schlechten –, dann braucht es Rituale, um stimmig damit umzugehen. Wir haben bei einem versuchten Suizid in unserem Haus viel von diesem spirituellen und gemeinschaftlichen Spürsinn gebraucht. Es ist uns Gott sei Dank gelungen.
Zusammenleben braucht eine gemeinsame Mitte
RB: Gibt es eine christliche Ethik des Zusammenlebens?
Perkmann: Für mich sind die Prinzipien der Soziallehre Gold wert. Personalität: Der Mensch darf Mensch sein, so wie er ist. Solidarität: Wir kümmern uns umeinander. Subsidiarität: Jede Ebene soll entscheiden, was sie entscheiden kann. Ergänzen möchte ich: Schöpfungsverträglich leben. Zum Zusammenleben so vieler verschiedener Menschtypen gibt es eine alte mönchische Weisheit: Es ist wie bei einem Rad. Am Ende liegen alle weit auseinander, aber die Speichen haben ein Zentrum, das alles zusammenhält. Wenn Zusammenleben eine gemeinsame Mitte, ein Ziel, einen Bezug zu Gott hat, dann entwickelt sich eine Kraft, die stärker ist als manches Diskutieren und Psychologisieren.
RB: Wie könnte eine Vision für die Zukunft der Jugend aus dem Geiste Kolpings aussehen?
Zallinger: Lust darauf zu machen, Verantwortung zu übernehmen. Unsere Verantwortung ist es, den Menschen für ihr Leben, ihre Ziele und Träume Ermöglicher zu sein.
Perkmann: Den Job nicht nur als Geldbeschaffung zu sehen, sondern ein Bewusstsein zu fördern: Ich baue mit meiner Stelle an unserer Gesellschaft positiv mit. Diese Idee Kolpings könnte Würze in unsere unselige Work-Life-Balance-Diskussion bringen. Und gleichzeitig gibt es mehr als Arbeit: Berufung zu finden, eine gute Aufgabe für sein Leben zu entdecken. Arbeit und Freiheit kann man ausbalancieren, aber nicht Arbeit und Leben oder Arbeit und Berufung.
Die Gesprächspartner
Abt Johannes Perkmann, geboren 1968 in Salzburg-Maxglan, studierte Theologie an der Uni Salzburg und Sozialpädagogik in Benediktbeuern. 1986 wurde er Novize in der Abtei Michaelbeuern, 1994 ebendort zum Priester geweiht. Er arbeitete in der stiftseigenen Hauptschule als Religionslehrer und Erzieher. 2006 wurde er vom Konvent der Salzburger Benediktinerabtei Michaelbeuern zum Abt gewählt. Seit 2017 ist er Abtpräses der österreichischen Benediktiner.
Karl Zallinger, geboren 1961 in Salzburg, ist seit 1998 im Kolpinghaus, seit 2007 Geschäftsführer. Der studierte Theologe, Pädagoge und diplomierte Sozialarbeiter wirkte zuvor als Lehrer, Dienststellenleiter der Diözesanjugendstelle der Erzdiözese Salzburg sowie als Pastoralassistent. Er ist auch Geschäftsführer des zur Kolpingsfamilie Salzburg-Zentral gehörenden ECO SUITE Hotels Salzburg. Zallinger (VP) gehört seit 2018 dem Salzburger Landtag an.
Die Idee der Kolpinghäuser
Adolph Kolping (im Bild unten), geboren 1813 in Kerpen bei Köln als Sohn eines Schäfers, erlernte das Schusterhandwerk, studierte dann und wurde mit 31 Jahren zum Priester geweiht. Unter dem Eindruck der drohenden Verelendung der Arbeiterschaft im Zuge der Industriellen Revolution gründete er 1849 einen katholischen Gesellenverein, um den an den Rand gedrängten jungen Menschen Heimat auf Zeit und Perspektiven zur Lebensbewältigung anzubieten.
Rasch verbreitete sich seine Idee in ganz Deutschland und auch in Österreich, ausgehend von Innsbruck, Salzburg, Steyr, Linz und Wien – bis hin zu einem weltweit tätigen Sozialverband.
Das „Internationale Kolpingwerk“ – aktiv in mehr als 60 Ländern der Erde – umfasst heute zirka 5.000 örtliche Gruppen mit mehr als 500.000 Mitgliedern. Bekannt sind vor allem die Kolpinghäuser, in denen Lehrlinge, Schülerinnen, Schüler und Studierende Wohn- und Begegnungsmöglichkeiten finden. In der Stadt Salzburg gab es bereits in den 1880er-Jahren im Bruderhof bei St. Sebastian ein Heim. 1892 übersiedelte es in die Franz-Josef-Straße. Seit 1998 ist der Standort des Kolpinghauses Salzburg in Itzling, wo heuer das 25-Jahre-Jubiläum gefeiert wird.
Foto: www.selmer.de (Werner Persy: Adolph Kolping)
Aktuelles E-Paper