RB: Früher hätte man in Anlehnung an einen alten Werbespruch gesagt: „Reduce to the max“. Welche Gedanken haben dazu geführt, das Thema Reduktion in den Fokus der diesjährigen Hochschulwochen zu rücken?
Martin Dürnberger: Auf unsere 2022 bei den Hochschulwochen gestellte Frage „Wie geht es weiter?“ lautete eine der Anschlussüberlegungen, die wir vielfach wahrgenommen haben: „So wie jetzt kann es nicht weitergehen.“ Höher, schneller, weiter, mehr – das ist sowohl psychisch nicht gesund als auch ökologisch nicht gescheit. Natürlich werden in der Gesellschaft lieber Wachstums- und Fortschrittsgeschichten erzählt, aber was wir brauchen, ist eine kluge Reduktion.
RB: Es fallen oft die Worte Überforderung und Erschöpfung – von ökologischen und von sozialen Ressourcen. Die Ökologie drängt ja täglich in die Medien, aber welche Beispiele gibt es für die soziale Komponente?
Dürnberger: Machen wir es fest an dem Problem, dass in vielen Bereichen Personal fehlt, zum Beispiel in der Pflege. Dort müssen dann andere mehr machen und die Lücken zulaufen. Das überfordert uns auf Dauer. Die Menschen ziehen sich mit Verweis auf die Work-Life-Balance zurück und sagen sich: „Nein, ich will keine 40-Stunden-Woche mehr, denn das werden real 50 Stunden.“
RB: Können Sie uns einen kleinen Einblick in die diesjährige Themenvielfalt der Salzburger Hochschulwochen geben?
Dürnberger: Natürlich spielen ökologische Fragen eine wichtige Rolle, zum Beispiel: „Welche Landwirtschaft können wir uns langfristig leisten – und für welche Bevölkerungszahl?“ Aber das Spektrum ist viel breiter: vom Umgang mit dem körperlichen Altern bis zum Bildungsbereich, in den immer mehr hineingestopft wird. Gibt es gesellschaftliche Probleme, wer muss sich darum kümmern? Die Schule. Die Kinder werden zu dick, die Leute wissen nicht, wie man eine Steuererklärung ausfüllt – das soll alles die Schule machen.
Kann der Versuch gelingen, weniger Ressourcen gerecht zu verteilen?
RB: Zwei spannende Tagungsfragen lauten: „Wo ist Reduktion weniger sinnvoll?“ und „Ist das alles sozialverträglich möglich?“
Dürnberger: Ein Beispiel für den ersten Punkt ist der Vortrag des Salzburger Armutsforschers Gottfried Schweiger. Bei der Entwicklung der Bildungschancen von Kindern oder bei Armutsprogrammen sind Verzicht und Einsparungen wohl fehl am Platz. Und Alena Buyx, Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, spricht zur Gerechtigkeitsfrage – vor allem, wenn wir von einer Überflussgesellschaft mit guten Sicherungsnetzen in eine Post-Wachstums-Gesellschaft eintreten und das Tortenstück für alle kleiner wird. Kann der Versuch gelingen, weniger Ressourcen sozialverträglich gerecht zu verteilen?
RB: Was versteckt sich hinter dem provokant betitelten Vortrag „Ist das Kirche oder kann das weg?“ von Aaron Langenfeld, Rektor der Theologischen Fakultät Paderborn?
Dürnberger: Das Thema dahinter ist: Was fehlt der Gesellschaft, wenn die Christen fehlen, wenn die Kirche fehlt? Darum ein Titel, den man von der modernen Kunst kennt. Ob Kirche oder Kunst – für beides gibt es in Teilen der Gesellschaft Unverständnis.
RB: Ein Thema ist die Liturgie der Zukunft. Was sind dazu die gängigen Denkansätze?
Dürnberger: Die Vollversorgung in der katholischen Kirche – mit Pfarren überall, wo ich jeden Sonntag hingehen kann – ist eine Grundstruktur, die aufgrund des Priestermangels wegbröckelt. Das wirft die Frage auf: Wie kann eine „nach-volkskirchliche“ Liturgie der Zukunft aussehen?
RB: Sie erwarten auch heuer wieder 600 bis 700 Interessierte. Was macht die Faszination der Salzburger Hochschulwochen aus?
Dürnberger: Wir behandeln gesellschaftliche Themen aus theologischen, aber auch anderen Perspektiven und sprechen sowohl die jüngere als auch die ältere Generation an. Was die Kirche anbelangt, ist diese hochgradig polarisiert – mit tausend Stimmen und Bubbles. Es gibt nur wenige Orte, wo unterschiedliche Perspektiven und Weltanschauungen der Kirche zusammenkommen. Die Hochschulwochen sind genau so ein Ort.
Hintergrund
Die Salzburger Hochschulwochen gibt es seit 1931. Sie sind ein interdisziplinäres Forum, in dem sich die Theologie dem Dialog über aktuelle Fragen mit weltlichen Wissenschaften stellt. Heuer läuft die Veranstaltung von 31. Juli bis 6. August. Das Motto: „Reduktion! Warum wir mehr Weniger brauchen.“
Prominenter Festredner ist der österreichische Physik-Nobelpreisträger des Jahres 2022, Anton Zeilinger. Er hält am 6. August (10.30 Uhr) den abschließenden Festvortrag.
Infos unter: www.salzburger-hochschulwochen.at
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