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Der Ethiker Theodor Boer trat für das Recht auf aktive Sterbehilfe ein. Doch was der Niederländer als Gutachter erfuhr, bereitete ihm schlaflose Nächte. Bei den Salzburger Bioethik-Dialogen diskutierte er mit Ärzten und Vertretern von Politik und Gesellschaft über Sterbehilfe und Suizidbeihilfe. Als einer der Hauptredner referierte der niederländische Gesundheitsethiker Theo Boer über die Situation in seinem Heimatland. Die Inanspruchnahme von Euthanasie und Sterbehilfe steigt in den Niederlanden seit 2002 deutlich an. Der Anstieg dieser Zahlen ließ Boer, der bei Einführung der Sterbehilfe noch Fürsprecher für die Gesetzesänderung war, kritisch werden. Zudem seien von den ca. 70.000 Fällen in den letzten 17 Jahren lediglich 11 Fälle abgelehnt worden, das müsse nachdenklich stimmen.Eine der problematischen Entwicklungen, so Boer, sei, „dass es in der Sterbehilfe immer mehr die Tendenz gibt, nicht-medizinische Probleme medizinisch zu lösen“. Eine zentrale These seines Vortrages: „Bei Sterbehilfe handelt es sich nicht mehr, wie zu Beginn der Sterbehilfediskussion in den achtziger und neunziger Jahren, um Schmerzlinderung.“ Entscheidende Gründe für die Inanspruchnahme seien stattdessen die Angst vor Bedeutungs- und Kontrollverlust von Menschen, die nicht todkrank sind.Der Ethiker lehne Sterbehilfe in ausweglosen Fällen nicht kategorisch ab, empfinde aber einen Paradigmenwechsel in seinem Heimatland: „Sterbehilfe wird immer mehr eine Option um schreckliches Leben zu beenden, anstatt schreckliches Sterben zu verhindern.“ Boer entkräftete zudem das Argument, aktive Sterbehilfe reduziere die Suizidzahlen. „Im Gegenteil, die Zahlen sprechen dagegen“, so der Niederländer. Die Suizidzahlen und Euthanasiezahlen steigen in Holland an. Schwierige Entwicklungen zur Beschleunigung der Sterbehilfe sieht der Ethiker auf sein Heimatland zukommen: Das von einer Regierungspartei unterstützte Programm „Vollendetes Leben“ beinhalte die Einführung des assistierten Suizids für ältere Menschen ab dem 75. Lebensjahr mit nicht medizinisch bedingtem Leiden, auch die Sterbehilfe für Kinder unter 12 Jahren sei in Diskussion und die gemeinsame Euthanasie für Ehepaare werde auch zunehmend Thema. Erzbischof Franz Lackner „Eine Medizin, die meint, alles planen und sogar das Ende bestimmen zu können, hat nicht mehr den Gegebenheitscharakter des Lebens im Blick, sondern die perfekt einstellbare Maschine.“ Das sagte Erzbischof Franz Lackner, als er die Tagung eröffnete. Anfang und Ende des Lebens dürften aber hingegen „nicht rein innerweltlich abgehandelt werden – sie weisen in eine andere Wirklichkeit hinein“.
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