Ich wollte dir nur sagen...
...dass ich immer noch an dich denke. Wenn ich auf jener Holzbank im Salzburger Mirabellgarten sitze, auf der ich vor neun Jahren den Anruf von einem gemeinsamen Bekannten erhielt. „Sie haben ihn gefunden. In der Donau bei Hainburg.“ Vor meinen Augen die Schönheit der blühenden Rosen im Sonnenlicht, in meinen Gedanken die Dunkelheit und der Schmerz. Die Bestätigung der Gerüchte. Die traurige Gewissheit.
Ich denke an dich, wenn deine Lieblingsmannschaft im Fußball zur Abwechslung wieder einmal ein Spiel gewinnt. Der stets unterschätzte Dorfklub, der damals in der ersten Liga so oft „die Großen“ geärgert und damit ein Lächeln auf dein zumeist ernstes Gesicht gezaubert hat.
Ich denke an diese ruhige Art von dir, aus der ich nie ganz schlau geworden bin. Ich weiß gar nicht mehr, ob ich dich je schreien gehört habe. Ob du je laut geschimpft hast, oder ob es doch immer nur bei einem missbilligenden Grummeln geblieben ist, wenn du dich über etwas ärgern musstest. Es ist zu lange her. Ich weiß es einfach nicht mehr.
Ich frage mich, ob ich dir zu Lebzeiten ein Freund oder doch nur ein „Bekannter“ war. Vermutlich letzteres, so ehrlich muss ich heute sein. Wir waren Arbeitskollegen, doch als sich unsere Wege beruflich trennten, war es auch bald mit den regelmäßigen Kontakten vorbei. Schmerzlich denke ich an unser letztes Telefonat zurück. Ich rief dich nicht an, um zu fragen, wie es dir geht, sondern nur wegen einer Info über deinen neuen Arbeitgeber, die Recherche für einen meiner Artikel. Fiel damals der Satz „Treffen wir uns wieder einmal auf einen Kaffee?“ Ich glaube, nicht einmal dafür hat es gereicht.
„Sympathisch und besonnen“ – so wurde deine ruhige Art in den Nachrufen beschrieben. Das stimmt, genauso kannte ich dich. Auch von psychischer Krankheit und einer Verzweiflungstat war dort die Rede. „Er war halt depressiv“, raunte mir ein gemeinsamer Bekannter auf der Beerdigung zu.
War das alles? Eine Depression ist keine Einbildung, sondern eine längst wissenschaftlich nachgewiesene Erkrankung. Das ist mir bewusst. Aber lässt sich damit ausnahmslos jeder Suizid erklären? Sind es die Menschen selbst, die am Leben „zerbrechen“, oder werden nicht auch viele von uns durch äußere Umstände „gebrochen“?
Seit jeher sträubt sich ein Teil von mir dagegen, nach einem Suizid mit einem „Da konnte man nichts machen“-Schulterzucken zur Tagesordnung überzugehen. Dass du am Leben so sehr verzweifelt bist, dass du eine Frau und ein kleines Kind zurückgelassen hast, kann ich weder verstehen noch vergessen. Aber ich höre auf all die Experten, die uns wortgewandt erklären: Du musst und darfst dich nicht schuldig fühlen. Die seit Menschengedenken bekannten Fragen stelle ich mir trotzdem: Habe ich etwas übersehen? Hätte ich unsere lose Bekanntschaft besser pflegen und dir in deiner Verzweiflung ein Gesprächspartner sein müssen? Und hätte dir das geholfen? Ich glaube, dass es zumindest einen Versuch wert gewesen wäre.
Gottesdienst
Mittwoch, 13. November 2024, 18 Uhr, Emmaus-Kapelle, St. Virgil Salzburg
„Verwundet und aufgehoben“ - Ökumenischer Gottesdienst für Menschen, die jemanden durch Suizid verloren haben.
Eine Kooperation mit Seelsorgeamt der Erzdiözese Salzburg, Evangelisches Bildungswerk und Altkatholische Kirche.
Unterstützung
in persönlichen Krisensituationen
Telefonseelsorge: Unter der Notrufnummer 142 gebührenfrei 24 Stunden am Tag erreichbar. Chatten oder Mailanfrage unter: www.ts142.at
kids-line: Rat für junge Leute, täglich von 13 bis 21 Uhr unter der Telefonnummer 0800 234 123 sowie per Chat/Mail unter: www.kids-line.at
Krisenhotline Pro Mente:
Salzburg: 0662 / 43 33 51
Pongau: 06412 / 200 33
Pinzgau: 06542 / 72 600
Suizidprävention Austria:
www.suizid-praevention.gv.at
Kirchliche Angebote zum Thema Trauer siehe: www.eds.at/trauer
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