RB: Wie haben Sie von der Virgilambulanz erfahren?
Michaela Pöschl: Ich habe einen Fernsehbeitrag gesehen und mir gedacht: Ich bin in Pension, das passt perfekt, das würde mich erfüllen. Ich bin diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin. Für mich ist es ein Privileg und ein Geschenk, diesen Beruf ausüben zu können und. Das möchte ich gerne teilen. Ich denke, jeder Mensch hat einen Rucksack an Talenten mitbekommen, die er weiterentwickeln und zur Verfügung stellen kann.
RB: Welche Aufgaben übernehmen Sie genau?
Pöschl: Ich bin ein bis zwei Tage in der Woche in einem Vierer-Team im Einsatz. Es wird ein Arzt vor Ort sein, eine Pflegekraft, eine Ordinationsassistenz und jemand aus dem Sozialen Dienst. Zu meinen Aufgaben gehört zum Beispiel der Verbandswechsel. Ich werde sicherlich auch viele Gespräche führen und natürlich eng mit dem Arzt oder der Ärztin im Dienst zusammenarbeiten.
RB: Die Virgilambulanz versorgt Menschen ohne Versicherung, das sind vor allem Obdachlose und Notreisende aus Rumänien oder Bulgarien... Menschen, die mitten in der Stadt und trotzdem an den Rand gedrängt leben.
Pöschl: Ich war im Raphael-Hospiz, im Palliativbereich tätig. Was ich aus dieser Zeit mitgenommen habe: In der Bedürftigkteit gibt es keine Unterschiede mehr. Es steht nur mehr der Mensch im Vordergrund. Mir sind Menschen, die von der Gesellschaft wenig oder nicht geachtet werden, wichtig. Es kann 1.000 Gründe geben, warum sie in ihrer Situation stecken – das macht für mich keinen Unterschied. Denn eines weiß ich, es hat für diese Menschen keinerlei Wohlfühlfaktor, so zu leben, wie sie es tun.
RB: Warum verschenken Sie Ihre Zeit? Sie könnten Ihre Pension genießen. Warum engagieren Sie sich?
Pöschl: Ich genieße mein Leben ja auch, aber ein bis zwei Tage in der Woche bin ich künftig bei der Virgilambulanz. Man hört oft Menschen über die Gesellschaft schimpfen und ich denke mir dann: Ich bin Teil der Gesellschaft, also bin ich auch die Gesellschaft. Ich bin nicht der Typ, der auf der Couch sitzt und ablästert. Ich will raus aus meiner Komfortzone und aktiv an einem besseren Miteinander mitwirken.
Wissenswert
Vom Bus in die Praxis: Seit dem ersten Advent 2014 fährt jeden Sonntagabend eine Arztpraxis auf vier Rädern, der Virgilbus, um Menschen ohne Krankenversicherung zu versorgen. Initiator Johannes Huber schwebte aber mehr als diese „Akutbehandlung“ vor. Nun setzt die Caritas Salzburg die Virgilambulanz um. Caritasdirektor Johannes Dines: „Ziel ist es, dass die Menschen möglichst früh behandelt werden. Das entlastet den Ambulanzbetrieb im Krankenhaus und verhindert zudem auch, dass die Menschen chronische Erkrankungen entwickeln.“
Bedarf ist da: 2023 lebten in Salzburg rund 550 Menschen, die von Obdach- oder Wohnungslosigkeit betroffen sind sowie 80 bis 100 Notreisende.
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