RB: Was machen Veränderungen mit Kindern und Jugendlichen?
Leonhard Thun-Hohenstein: Prinzipiell sind Kinder und Jugendliche Veränderungen gewohnt, sie gehören zu ihrem Alltag und ihrer Entwicklung – im Sinne eines kreativen Prozesses. Diese zu bewältigen führt zu dem Gefühl der Selbstwirksamkeit und stiftet eine positive Identität. Krisenhafte Veränderungen hingegen verändern Emotionen, Denken und Verhalten ins Negative und machen sich so auch für andere bemerkbar und belasten. Ängste, Rückzug oder auch Wut und Aggression können zu Tage treten, genauso Leistungsprobleme und Konflikte mit Familie und Freunden.
RB: Warum ist es wichtig, dass Kinder Resilienz lernen, also die Fähigkeit entwickeln, nach starken Veränderungen oder schweren Belastungen wieder in einen ausgeglichenen oder vielleicht sogar zum Guten veränderten Zustand zu kommen?
Thun-Hohenstein: Resilienz ist zum einen eine Fähigkeit, die uns Menschen innewohnt, sie bedarf der regelmäßigen und andauernden Pflege und Unterstützung. Sie hängt auch viel von externen Faktoren ab, wie ist die Beziehung der Eltern zu ihren Kindern, welches Familienklima herrscht vor, gibt es Konflikte mit Geschwis-tern, Nachbarn oder gibt es Gewalt in der Familie. Je weniger Risikofaktoren und je besser die Beziehungen, umso besser die Resilienz.
Ganz wesentlich ist das Erlernen der Selbstregulation, der Selbstkontrolle und Selbstakzeptanz und ganz zentral geht es um die Erfahrung der Selbstwirksamkeit – ich kann auf dieser Welt etwas bewirken! Es geht um eine positive Grundhaltung dem Leben und den Menschen gegenüber. Kinder und Jugendliche, die gelernt haben und Erfahrungen haben im selbstständigen Entwickeln von Lösungen, sind damit super gerüstet für die Zukunft.
Je weniger Risikofaktoren und je besser die Beziehungen, umso besser
die Resilienz.
RB: Wie können Kinder und Jugendliche am besten Veränderungen meistern? Wie kann man sie darauf vorbereiten oder sie währenddessen begleiten?
Thun-Hohenstein: Kinder benötigen Anregung sich mit sich zu beschäftigen, sich zu erproben und Lösungen zu erarbeiten. Sie benötigen – selten – eine entsprechende Anleitung und wenn dann im Sinne der Bestärkung und nicht im Sinne des genauen Vormachens. Vorbilder sind enorm wichtig, also wie gehen Mama und Papa mit Veränderungen und Krisen um? Für diese Entwicklungen und Leistungen, die sie auf dem Weg zu den Lösungen erbringen, benötigen sie Wertschätzung und Anerkennung. Diese Prinzipien gelten auch für die Begleitung durch schwierige Zeiten.
RB: Wie kann man Kindern und Jugendlichen bei Veränderungen helfen, dass sie durch diese gestärkt werden – auch wenn es auf den ersten Blick eine negative Veränderung ist?
Thun-Hohenstein: In schwierigen Zeiten sind aktives Zuhören und Wahrnehmen, Veränderungen ansprechen und benennen eine zentrale Hilfe. Hilfestellungen anbieten und bei Lösungen helfen tut ihnen gut, ebenso trösten und emotional gut begleiten. Wenn es notwendig ist, sollte man rechtzeitig professionelle Hilfe holen.
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