Aktuelles E-Paper
Salzburg. Was ist der Unterschied zwischen „Sterben-Zulassen“ und aktiver „Sterbe-Hilfe“? Wo stößt die moderne Medizin an ihre Grenzen, indem sie etwa zugleich mit dem Leben das Leiden verlängert? Was tun, wenn keine Heilung mehr möglich ist? Das sind einige der existenziellen Fragen, die kürzlich im Mittelpunkt der Bioethik-Dialoge in der Salzburger Universitätsaula standen. Das Motto: „Zwischen Leben und Tod – Grenzentscheidungen in der Medizin“.
Ein Plädoyer für eine „lebensbejahende Grundhaltung“ und eine „Kultur der Sorge“ anstelle einer „Normalität des assistierten Suizids“ hielt der deutsche Medizinethiker Giovanni Maio: „Eine Kultur, in der es selbstverständlich und richtig erscheint, Leben auf Wunsch aktiv zu beenden, wendet sich von der Selbstverständlichkeit des Ringens um ein gutes Leben ab.“ Sinn der Sorge um die anderen sei es, „jedem Menschen das Gefühl zu geben, in jedem Zustand Teil einer Gemeinschaft zu sein, die nicht müde wird, sich für ein gutes Leben auch und gerade der bedrängten Menschen einzusetzen“. Von unschätzbarem Wert seien deshalb Pflege, Palliativmedizin und -betreuung, getreu dem Motto eines Themenblocks der Tagung: „Wenn nichts mehr zu machen ist, bleibt noch viel zu tun!“ Das Gegenteil wäre laut Maio, ein „als entwertet wahrgenommenes Leben“ aktiv zu beenden (siehe „gute gespräche").
Auf der Suche nach gangbaren und reflektierten Antworten debattierten die Fachleute intensiv über den ethisch komplexen Umgang mit dem Sterbenswunsch in Situationen extremen Leidens. Kinderarzt Florian Baumgartner vom veranstaltenden „Salzburger Ärzteforum“ sprach diesbezüglich von Entscheidungen für „medizinische Optionen, die nicht die aktive Beendigung des Lebens per se, sondern das medizinisch sorgfältig begleitete Sterbenlassen zum Ziel haben“.
Eröffnet wurde die Tagung vom Sozialethiker, Philosophen und Theologen Clemens Sedmak zum Thema „Gelungenes Leben – gelungenes Sterben“. Der Leiter des Zentrums für Ethik und Armutsforschung der Uni Salzburg definierte das „gute Sterben“ dabei als „ruhig, selbstbestimmt, begleitet und gelassen“ und verwies auf zwei biblische Lehrer: Abraham und Tobit. Abraham sei „betagt, lebenssatt und mit seinen Vorfahren vereint“ gestorben. Tobit wiederum „zufrieden, weil er die Tugenden Barmherzigkeit und Gerechtigkeit erfolgreich weitergegeben hatte“. Mit einer Analogie beschrieb Sedmak abschließend ein gutes Leben und einen „guten“ Tod. „Wie ein guter Tag durch redlich Anstrengung, gute Beziehungen und seine Erzählbarkeit gelingt und guten Schlaf bringt“, so sei es auch mit dem Leben und Sterben.
gute gespräche
Karin Nestor, Onkologin und Palliativmedizinerin in der Schweiz, brachte bei den Bioethik-Dialogen neue Erkenntnisse aus der Suizidforschung in die Diskussion ein. „Die gegen die eigene Person gerichtete Aggression ist beim Wunsch nach assistiertem Suizid manchmal nicht auf den ersten Blick erkennbar. Beim genaueren Hinsehen verbirgt sich aber hinter emotional hoch aufgeladenen Äußerungen wie ‚Ich bin ja nichts mehr wert‘ oder ‚Ich bin nur noch eine Last‘ durchaus eine Abwertung der eigenen Person, die meist nichts zu tun hat mit der realen Wertschätzung durch die Mitmenschen“, so die Primaria. Im Zentrum einer modernen Sterbebegleitung stehe die Gesprächsbeziehung mit ihrer herausragenden Bedeutung sowohl bezüglich der Nöte und Motive beim Wunsch nach assistiertem Suizid als auch als therapeutisches Moment.
Ich bin ja nichts mehr wert. Ich bin nur noch eine Last.
Auch Matthias Volkenandt, katholischer Theologe und Medizinethiker, unterstreicht die Relevanz einer gelungenen Kommunikation mit Schwerkranken, die genauso wie andere fachärztliche Ausbildungen gelernt und vertieft werden müsse. Wegen der vorherrschenden Fokussierung auf medizinische Maßnahmen könne die große Bedeutung des Gesprächs mit Patienten leicht vergessen werden. Gelungene Kommunikation aber sei der Hauptgrund der Zufriedenheit von Patientinnen und Patienten – unabhängig vom Behandlungsausgang. Es gehe darum, „nicht nur über Befunde zu reden, sondern vor allem auch über das Befinden des Menschen“.
eds/kap
Aktuelles E-Paper