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RB: Welche „brennenden“ Themen beschäftigt die Caritas besonders?
Andrea Schmid: In Salzburg sind 16.000 Kinder und Jugendliche von Armut gefährdet. Das ist jedes fünfte Kind. Sei es der beengte Wohnraum, die fehlende Unterstützung beim Lernen oder das Nachsehen bei Aktivitäten wie dem Schulskikurs, den sich die Eltern nicht leis-ten können – diese Kinder wachsen nicht so auf, wie es selbstverständlich sein sollte. Als Caritas glauben wir fest daran, dass jedes Kind das Recht auf Bildung, das Recht auf Glück und Zukunftsperspektiven verdient. Die Caritas unterstützt mit den Lerncafés, dem Jugendstreetwork oder der Jugendnotschlafstelle Exit 7. Manches wie das Projekt Mosaik, die mobile Sozialarbeit in Kindergärten, können wir nur mit Spenden finanzieren. Was mich bei diesem Beispiel freut: Jetzt kommen Gemeinden auf uns zu, weil sie das etablieren wollen.
RB: Bildung hat die Caritas auch in ihrer Schwerpunktregion im Nahen Osten im Blick.
Kurt Sonneck: In allen Kriegen, Krisen und Konflikten sind Kinder die ersten und am meisten Leidtragenden mit lebenslangen Auswirkungen. Das sehen wir ganz stark in unseren Schwerpunktländern der Auslandshilfe, Syrien, Libanon und Ägypten.
Die große Bitte an die neue Bundesregierung: Nicht auf dem Rücken der Ärmsten sparen und alle Maßnahmen daraufhin abklopfen.
RB: Was fordert die Caritas (von einer künftigen Regierung), um die Situation armutsgefährdeter Menschen zu verbessern?
Sonneck: Steigende Arbeitslosigkeit, eine anhaltende Rezession und ein Budgetdefizit stellen Österreich vor gewaltige Herausforderungen. Zugleich hat die Teuerung beim Wohnen, bei Energie und Lebensmitteln enorme Preissteigerungen mit sich gebracht. Für immer mehr Menschen wird es schwierig, angemessenen und dauerhaften Wohnraum zu finden. 61.000 Menschen im Bundesland Salzburg sind armutsgefährdet. Zur Prävention von Armut fordern wir den Ausbau der ganztägigen Kinderbetreuung, Reformen beim Karenz- und Kinderbetreuungsgeld oder eine Verbesserung der Bezahlung in Care-Arbeits-Branchen.
Zur neuen Bundesregierung: Wir gehen selbstverständlich davon aus, dass sie sich an die Rechtsstaatlichkeit, an die Menschen- und Minderheitenrechte sowie an die Genfer Flüchtlingskonvention hält. Wir wünschen uns einen wertschätzenden Dialog auf Augenhöhe. Entscheidend ist, dass die neue Regierung den Menschen auch Hoffnung und Zuversicht schenken kann. Und meine große Bitte ist es, nicht auf dem Rücken der Ärmsten zu sparen und alle Maßnahmen daraufhin abzuklopfen.
Die Caritas ist flächendeckend mit der Sozialberatung präsent: persönlich in der Stadt Salzburg und den regionalen Caritaszentren, telefonisch sowie online. Die Sozialberaterinnen und Sozialberater wissen genau, welche Möglichkeiten es in welcher Situation gibt – bei Rechtsfragen, Behördenverfahren sowie bei Anträgen für Sozialleis-tungen. Das erklärte Ziel: nachhaltige Lösungen für die Betroffenen finden. Etwa 15.000-mal wenden sich Menschen jedes Jahr an die Caritas Sozialberatung.
RB: Wie ist es um die großen Herausforderungen in Pflege und Betreuung bestellt?
Schmid: Bis 2030 werden 23 Prozent der Salzburger Bevölkerung über 65 Jahre alt sein. Dieser demographische Wandel erfordert, dass sich die Arbeitsbedingungen im Bereich Pflege und Betreuung massiv verbessern. In den letzten Jahren wurden schon Reformpakete in der Pflege auf den Weg gebracht. Jedoch: Bis zum Jahr 2030 fehlen alleine in Salzburg 900 zusätzliche Fachkräfte, die durch die bereits gesetzten Maßnahmen nicht gewonnen werden können. Hier besteht Handlungsbedarf.
Als Caritas sind wir auch in der Pflegeausbildung tätig: mit der Schule für Sozialbetreuungsberufe, der Salzburger Arbeitsstiftung für Pflege-, Gesundheits- und Sozialberufe oder mit der Pflegeausbildungsberatung. Das ist eine Anlaufstelle für Personen, die sich für einen Pflege-, Gesundheits- oder Betreuungsberuf interessieren. Es geht um Ausbildung, Förderungen, Berufsmöglichkeiten, Karrierechancen und so weiter. Wir möchten, dass (junge) Menschen, Lust bekommen, in diesen Bereichen zu arbeiten. Hier ist natürlich die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sehr wichtig.
RB: Der Wunsch vieler Menschen ist es, möglichst lange eigenständig zu leben.
Schmid: Mir schwebt hier schon lange vor, Wohnformen für ältere Menschen zu entwickeln. So könnten wir individuell auf die Personen eingehen. Solche Projekte waren bisher in der Wohnbauförderung nicht berücksichtigt.
RB: Kardinal Christoph Schönborn hat einmal gesagt, nur eine lästige Caritas ist eine gute Caritas. Können Sie sich damit identifizieren?
Sonneck: Wir müssen lästig sein und Ungerechtigkeiten aufzeigen. Doch alleine können wir die Welt nicht retten. Etwas zum Besseren zu verändern, geht nur gemeinsam. Alle Krisen, sei es Corona, Naturkatastrophen oder der Krieg in der Ukraine, haben gezeigt wie stark der Zusammenhalt und die Hilfsbereitschaft sind – bei den Spendern, in den Pfarren, aber auch in der Politik und bei den Netzwerkpartnern. Wir sind sicher, dass die Unterstützung in Zukunft genau so groß sein wird. Schon jetzt herzlichen Dank. Wir freuen uns auf eine gute gemeinsame Zukunft.
Wissenswert
Warum braucht die Caritas eine Doppelspitze?
„In den vergangenen Jahren ist die Caritas zu einer großen Organisation gewachsen mit beinahe 1.000 Mitarbeitenden und 6.000 Ehrenamtlichen. Ich halte geteilte Leitung für ein super Konzept, auch im Sinne der Vereinbarkeit von Beruf und Familie“, ist Andrea Schmid überzeugt. „Wir können das jetzt vorleben und ein Zeichen setzen, dass nicht eine Person alles alleine schultern muss. Es ist aus meiner Sicht ein Zeichen für eine moderne Organisation.“ Der Auftrag der Caritas ist beständig: „Wir werden weiterhin gesellschaftliche und soziale Herausforderungen thematisieren, Lösungen suchen, öffentlich für mehr Gerechtigkeit eintreten und auf bewährte sowie neue Netzwerkpartnerinnen und -partner zählen. Die gesellschaftlichen Veränderungen sind enorm und wir werden gefordert sein, genau hinzuschauen, was die Bedürfnisse der Menschen sind – das wird uns den Weg zeigen. Als besonders wichtig erachte ich unsere Bestrebungen, eine attraktive Arbeitgeberin zu bleiben. Unsere Mitarbeitenden sind unsere wertvollste Ressource.“
Budget für Menschen in Notsituationen
Insgesamt hat die Caritas Salzburg ein Budget von 48 Millionen Euro (2023). 5,7 Millionen kommen aus Spenden und kirchlichen Sammlungen. Ein Großteil des Geldes, 35 Millionen Euro, erhält die Caritas als Auftragnehmerin für erbrachte Dienstleistungen, 29 davon von der öffentlichen Hand. Subventionen und Zuschüsse betragen 3,4 Millionen Euro, 3 Millionen setzen sich aus sonstigen Einnahmen zusammen. „Bei den Spenden ist mir auch der Fokus auf Zeit- und Sachspenden wichtig und die vielen Ehrenamtlichen ohne die es nicht geht“, ergänzt Kurt Sonneck.
Würdigung von Direktor Johannes Dines
Den bisherigen Caritas-Direktor Johannes Dines verabschiedeten kürzlich Vertreter aus Kirche und Politik in St. Virgil. Landesrätin Daniela Gutschi verlieh ihm das Große Ehrenzeichen des Landes Salzburg und das Stadtratskollegium von Salzburg das Stadtsiegel in Gold. Auch Erzbischof Franz Lackner würdigte sein Engagement. Gemeinsam übergaben sie schließlich einen symbolischen „Schlüssel zur Caritas“ an Andrea Schmid und Kurt Sonneck.
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