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Die Sorgen und Nöte der Anruferinnen und Anrufer während Pandemie, Lockdown und Advent hört und bespricht das Team von Telefonseelsorge, kids-line und Chat-Beratung. Welche Ängste bedrücken – und wie Menschen geholfen wird. 132 Frauen und Männer sind da. Rund um die Uhr, sieben Tage die Woche. Sie heben am Telefon ab oder antworten am Computer. Auch wenn es der zweite Winter in der Corona-Pandemie ist, eines ändert sich seit Jahren nicht: Die Einsamkeit macht den Leuten zu schaffen. Wenn sie nicht mehr auszuhalten ist, wählen immer mehr die 142, kostenlos aus ganz Österreich. Was neu ist: „In der Pandemie ziehen sich Gräben durch die Gesellschaft. Die Suche nach so genannten Schuldigen steigt. Ein Bruch geht durch Beziehungen und Familien. Er droht, uns zu spalten“, sagt Gerhard Darmann. Er leitet die Telefonseelsorge und die kids-line in der Erzdiözese Salzburg und hat so sein Ohr ganz nahe bei den Menschen. Dabei sei die Strategie der Schulzuweisung eine erprobte. „Diese Dynamik zeigt sich immer wieder und in vielen Konflikten, die auch davon befeuert wird, dem anderen die Verantwortung für das eigene Befinden zu geben“, erklärt Darmann.Er spricht sich, um Zwiste zu lösen, für ein Aufeinander-Zugehen aus: „Was jetzt gut täte, wäre ein Mehr an Telefonseelsorge – im Sinne einer gewaltfreien Kommunikation, welche die Bedürfnisse aller Beteilig-ten achtet und respektiert“, sagt er. Kinder leiden unter Gewalt Doch nicht nur die Erwachsenen leiden unter der andauernden Unsicherheit der Pandemie. „Was uns auffällt ist der große Wunsch nach regelmäßiger Stützung und Begleitung und die Sehnsucht nach stabilen, erwachsenen Bezugspersonen“, sagt Katja Schweitzer, Koordinatorin der kids-line. „Probleme in der Familie und Suizidgedanken bilden einen thematischen Schwerpunkt in der kids-line-Beratung.“Gewalt in der Familie sprechen Kinder und Jugendliche immer wieder an. Auch Sinn- und Hoffnungslosigkeit macht sich bei einigen breit. Während bei der kids-line rund 60 und in der Chat-Beratung zwölf Leute arbeiten, sind es österreichweit weitere 132 an den Telefonen. „Das Herz sind ganz klar die Ehrenamtlichen“, sagt Gerhard Darmann. Sie geben Halt bei Gesprächsbedarf, Einsamkeit, in Konflikten oder psychischen Erkrankungen. von Michaela Hessenberger
„Erreichbarkeit muss gewährleistet sein“ RB: Bei Telefonseelsorge, kids-line und Chat-Beratung hören und „lesen“ ausgebildete Menschen zu. Warum ist es so wichtig, dass sie rund um die Uhr da sind? Darmann: Die Telefonseelsorge bietet ein offenes Ohr für die Sorgen. Sie leistet psychosoziale Begleitung für Menschen, die nicht unbedingt auf der Sonnseite des Lebens angesiedelt sind. Unsere Kernaufgabe ist, bei Tag und bei Nacht für Gespräche bereit zu sein. Der Notrufstatus der Telefonseelsorge erfordert einen lückenlosen Dienst, 365 Tage im Jahr und 24 Stunden am Tag. Es gilt, alle Kräfte zu bündeln, damit diese Erreichbarkeit immer wieder gewährleistet werden kann. RB: Die kids-line ist für Mädchen und Buben da. Mit welchen Sorgen kommen sie denn auf das Beratungsteam zu? Darmann:Es geht stark um die Sehnsucht nach Beziehung und Nähe. Wir hören von Eskalationen und fehlender Beziehung in der Familie. Die Gefühle, die die Kinder beschreiben, sind Sinn- und Hoffnungslosigkeit.Unser Seismograf schlägt aus, denn wir nehmen auch eine gestiegene Suizidalität wahr. Ja, auch bei Kindern und Jugendlichen kommt das in die Gedanken. RB: Wie geht Ihr Team mit den schwierigen Situationen um, die es mitbekommt? Darmann: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dürfen mit den belastenden Erfahrungen aus den Diensten nicht alleinbleiben. Die Supervision in der Gruppe stärkt sie, bietet Entlastung und Begleitung, digital wie analog.
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