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Für Menschen, die bedroht oder misshandelt werden, gibt es Hilfsangebote: Beratungsstellen, die informieren und helfen, selbstbestimmt einen Schritt nach dem anderen zu setzen. Dazu gibt es Codes, die man kennen sollte – „Dr. Viola“ oder „Ist Luisa da?“ etwa. von Daniela Pfennig Die Pandemie und die Lockdowns lösten einen Anstieg häuslicher Gewalt aus: Der Anteil der Frauen, welche die Tiroler Frauen- und Mädchenberatungsstelle Evita in Kufstein wegen Gewalt 2021 beriet, nahm von 15 Prozent im Jahr 2020 auf 20 Prozent zu. Bei der Mädchen- und Frauenberatungsstelle des Bezirks Kitzbühel in St. Johann in Tirol steigerten sich die Beratungskontakte persönlich, am Telefon oder per E-Mail ebenfalls. Renate Magerle, Obfrau dieser 2010 gegründeten Beratungseinrichtung berichtet: „Zu uns kommen überwiegend Österreicherinnen. Etwa ein Viertel hat eine andere EU-Staatsbürgerschaft und die übrigen kommen aus Drittstaaten.“ Außerdem war die von der Beratungsstelle betreute Notschlafstätte (auch für wohnungslose Frauen) schon 2020 immer besetzt: 2.490 Nächtigungen verbuchte diese im ersten Lockdown-Jahr. Wenn das Zuhause nicht mehr sicher ist „Existenzielle Fragen und finanzielle Sorgen hängen oft mit Gewalt zusammen. Aber das kommt meist erst im Lauf der Gespräche ans Licht“, sagt Renate Magerle. Von Gewalt betroffene Frauen sind finanziell und emotional abhängig. Sie beschäftigen „vor allem rechtliche Fragen in Zusammenhang mit Trennung und Unterhalt, wenn sie überlegen, ob sie aus der Gewaltspirale aussteigen können. Sind sie selbst nicht berufstätig, können sie es sich oft nicht leisten“, berichtet sie. Den Mut aufzubringen, sich Freunden oder einer Beratungsstelle anzuvertrauen, sei der entscheidende Schritt. „Bei uns sehen sie, dass sie nicht die einzigen sind. Von uns erhalten sie Informationen über Unterstützungsangebote. Die Entscheidung, wie es weitergehen soll, treffen sie selbst“, erklärt Elisabeth Lehmann, Geschäftsführerin von Evita, der Frauen- und Mädchenberatungsstelle Tiroler Unterland in Kufstein. Sie bestätigt den deutlichen Anstieg an Beratungen und dass in Tirol aktuell alle Notschlafplätze voll sind. Leben wieder selbst in die Hand nehmen „Wir beraten kostenlos und anonym. Wir weisen die Frauen darauf hin, dass sie selbst keine Schuld tragen, sondern Opfer sind. Wir geben Sicherheit, bauen Vertrauen auf. Wir geben Zuversicht aus der Erfahrung heraus und zeigen, dass man es schaffen kann. Wir geben Zeit, entschleunigen die Situation. Wir helfen durch den bürokratischen Dschungel bei Banken, Kinderbetreuung, Unterhalt. Wir fördern finanzielle Unabhängigkeit. Wir stellen vorübergehend eine Wohnmöglichkeit – auch für die Kinder – zur Verfügung. Wir nehmen Frauen die Angst, auch wenn sie bedroht werden, damit sie langsam wieder die Kontrolle über ihr Leben bekommen und selbst bestimmen können, wann sie welchen Schritt setzen“, erzählt Elisabeth Lehmann über das umfassende Hilfsangebot.„Neben eigenen Vertrauenspersonen sind Hausärzte gute Ansprechpersonen“, schlägt sie vor und rät: „Wer Verletzungen hat, sollte diese unbedingt dokumentieren, ohne dass es der Täter mitbekommt. Nur so ist es möglich, fortgesetzte Gewalt zu beweisen und zu zeigen, dass sich diese steigert.“ Frauen-Helpline auf Kassenbons Die psychozosiale und sozialpädagogische Beraterin hört oft „schwere Geschichten“ und ist überzeugt, dass es viele niederschwellige Angebote braucht, die Frauen im Alltagsleben erreichen. Das Aufdrucken von Notrufnummern auf Kassazetteln ist so ein Kanal für Aufklärung, Prävention und Schutz für Frauen, die unter Gewalt leiden. Beispielsweise unterstützt die Hofer KG derzeit diese Aktion des Bundeskanzleramts mit einem Hinweis auf die Frauen-Helpline 0800/222555 auf jedem Kassenbon. Code: Fünf Worte, die Leben retten können Wer sich in den eigenen vier Wänden bedroht fühlt oder misshandelt wird, erfährt an der Innsbrucker Klinik seit sechs Monaten mit einem kurzen, unverfänglichen Satz sofort und unauffällig Hilfe. „Ich muss zu Dr. Viola“ heißt der Code, mit dem jede und jeder Portier, Pflegepersonal sowie Ärztinnen und Ärzte angesprochen werden kann. Diese wissen dann, dass Gefahr im Verzug ist – und handeln. Dieses Angebot für sofortigen Schutz an der Klinik Innsbruck wurde bereits mehrmals angenommen. In Innbrucker Bars gibt es einen ähnlichen Code: Mit der Frage „Ist Luisa da?“ können sich Frauen, die in Lokalen beläs-tigt werden, direkt an der Bar Hilfe holen.
Zahlreiche Anlaufstellen sind für Opfer von Gewalt kostenlos und diskret da.
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