RB: Frau Betriebsrätin, warum haben sich die Pflegekräfte unser aller Dank verdient?
Sabine Gabath: Weil sie noch immer da sind und sich gegenüber den betreuten Patienten und Bewohnern in der Regel nicht anmerken lassen, dass sie total überlastet sind. Weil sie es trotz Pflegekräftemangel durchstehen und nicht aufgeben.
RB: Was braucht es über diesen symbolischen Akt des Dankeschöns hinaus?
Gabath: Wir benötigen dringend Nachwuchs und ein besseres Image. Wir müssen in der medialen Darstellung des Berufs von diesem Jammerbild wegkommen. Die Leute sagen oft zu mir: „Ach, du bist Krankenschwester? Voll schlimm.“ Es stimmt schon, die Pflege ist anstrengend, aber es ist zugleich einer der coolsten Berufe, die es gibt.
RB: Sie sprechen auch aus eigener Erfahrung?
Gabath: Ja, denn ich war mehr als 30 Jahre am Patientenbett. Schicht- und Wechseldienste sind natürlich eine Belastung und bringen ein unregelmäßiges Leben mit sich, aber der Beruf hat auch Qualitäten. Ich kann dann mal an einem Mittwoch auf eine Schitour gehen, wo nicht Hunderte auf der Piste sind, oder tagsüber private Dinge – etwa auf Ämtern – erledigen. Es hat alles zwei Seiten.
Mangel an Nachwuchs und eine Pensionierungswelle.
RB: Laufen wir beim Thema Pflege sehenden Auges in eine Sackgasse oder gar Katastrophe?
Gabath: Ja, es gibt nicht nur einen riesigen Mangel an Nachwuchs, es steht auch eine Pensionierungswelle bevor – und alle machen die Augen zu. Wir sind auf direktem Weg in eine Pflegekrise, denn heuer und nächstes Jahr gehen ganz viele Pflegekräfte in Pension.
RB: Warum gibt es angesichts dieser Zukunftsszenarien keinen Aufschrei in der Bevölkerung?
Gabath: Jeder scheint zu glauben: Ich bin eh gesund, mir passiert nichts. Und wenn ich alt werde, falle ich irgendwann einfach tot um und brauche keine Pflege mehr. Die Statistiken sagen jedoch etwas ganz anderes: zum Beispiel, dass bei den Pflegekosten jeder Mensch allein in den letzten drei Monaten seines Lebens Therapien und Medikamente in Höhe jener Leistungen benötigt, die er sein gesamtes Leben lang eingezahlt hat.
RB: Was würde eine Pflegekrise konkret bedeuten? Welche Konsequenzen drohen?
Gabath: Ich sage den Menschen dazu immer: Wenn du einen Unfall hast und in ein Krankenhaus kommst, wirst du in Zukunft warten müssen, bis dir ein Schmerzmittel verabreicht wird – weil wir kein Personal haben. Ich befürchte, die Leute werden es erst dann verstehen, wenn sie es am eigenen Leib spüren. Im Dezember bin ich selbst gestürzt und habe mit einer Hirnblutung drei Stunden darauf gewartet, bis sie ein Bett für mich hatten. Solche Fälle werden sich häufen – auch Schließungen von Seniorenhäusern wie dem Herz-Jesu-Heim, das nicht mehr genügend Personal findet. Da hilft dann auch keine Zusatzversicherung, denn wie wir schon gesehen haben, trifft es die privaten Häuser genauso.
Hintergrund
Das Ritual der Fußwaschung erinnert daran, dass Jesus vor dem Letzten Abendmahl seinen zwölf Jüngern die Füße wusch, um zu verdeutlichen, dass Christen einander dienen sollen. Im Salzburger Dom wird Erzbischof Franz Lackner während der Gründonnerstags-Liturgie (6. April 2023, 19 Uhr) als Geste der Wertschätzung zwölf Pflegekräften aus der Erzdiözese die Füße waschen und sie danach zum Abendessen einladen.
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