Salzburg. Der medizinische Fortschritt der letzten Jahrzehnte ist wirklich beachtlich – und doch hat er Grenzen: Es gibt Krankheiten, die auch auf weite Sicht als unheilbar betrachtet werden müssen, und unser alltäglicher Gesundheitsbetrieb hat allerlei Mängel: von der Zweiklassen-Medizin (wer mehr zahlt, kommt schneller dran) über die oft spürbare Dominanz der Pharma-Konzerne (Pillen verschreiben geht leicht) bis hin zur mangelnden Zeit und Zuwendung in Ordinationen und Krankenhäusern …
Bei den Weltanschauungsfragen-Beratungsstellen sind Gesundheit und Heilung ein häufig angesprochenes Thema. Unzählige Gruppen und Einzelpersonen bieten Heilung an: Geistige Heilung, alternative Heilmethoden, Stärkung der Selbstheilungskräfte oder angebliche Wundermittel. Dabei geht es nicht nur um das Wohl der Betroffenen, sondern auch um viel Geld. Doch wenn man selbst – oder eine nahestehende Person – schwer erkrankt, steigt die Bereitschaft, gegen alle Vernunft jeden Strohhalm der Hoffnung zu ergreifen.
Die größte Gefahr ist, auf sinnvolle medizinische Behandlungen zu verzichten.
Beim Thema „Heil & Heilung“ greifen wissenschaftliche, religiöse und weltanschauliche Fragen oft eng ineinander. Als besonders markantes Beispiel dafür gilt der „Bruno-Gröning-Freundeskreis“. Gröning betätigte sich in der Nachkriegszeit als „Heiler“ und wurde infolge einer angeblich durch ihn bewirkten Heilung eines jungen Mannes zu einer Art Star. Zehntausende Menschen pilgerten in der Hoffnung auf Heilung zu ihm, zuerst nach Herford, dann nach Rosenheim (D). Da Gröning über keinerlei entsprechende Qualifikation verfügte, kam er schnell mit dem Gesetz in Konflikt. Von seinen Anhängern, die sich in mehreren Vereinen organisierten, wurde er dafür umso mehr unterstützt. Offenbar hatte er eine sehr charismatische Art und verfügte über große Suggestivkraft. Die Heilkraft Gottes würde durch ihn strömen, so sein Versprechen: „Ich heile alle Krankheiten auf der Erde.“ Weder gerichtliche Urteile noch sein eigener Tod infolge von Magenkrebs konnten das Vertrauen seiner Anhänger erschüttern.
Der Bruno-Gröning-Freundeskreis ist heute weltweit organisiert, in Bayern, Salzburg und Tirol ist er besonders verbreitet. Eine „medizinisch-wissenschaftliche Fachgruppe“ innerhalb des Freundeskreises, in der auch Ärzte vertreten sind, versucht die Lehre Grönings und die Echtheit der Heilungen medizinisch zu belegen. Die größte Gefahr dabei ist, dass Menschen nur mehr auf Grönings „Heilstrom“ vertrauen und auf sinnvolle medizinische Behandlungen verzichten. Und dass unrealistische Erwartungen auf Heilung geweckt werden, die letztlich zu großen Enttäuschungen führen.
Meinrad Föger ist Pastoralassistent und Fachberater für Weltanschauungsfragen in der Erzdiözese Salzburg.
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