Salzburg. Wissenschaft lebt von Forschung und der Lehre. Was aber tun, wenn die Zahl der Studierenden seit Jahren rückläufig ist? Mit dieser Frage sind unter anderen die Theologischen Fakultäten Österreichs konfrontiert. Die Interessierten an einem Studium der Theologie, Religionspädagogik oder des Lehramts Religion werden weniger. Das schadet der Vielfalt des kritischen Diskurses und der Wissenschaft als ganzer.
Die Gründe für das Ausbleiben der Nachwuchskräfte sind vielfältig und lassen sich nicht nur auf geburtenschwache Jahrgänge zurückführen. Zunehmende Kirchendistanz und Unbehagen beim Gedanken daran, Latein, Alt-Griechisch und Hebräisch zu lernen, hindern so manchen jungen Menschen daran, den Sprung in die Theologie zu wagen. An der Uni Salzburg hat man sich daher entschieden, einen doppelten Weg zu gehen: Neben Bemühungen, die klassischen theologischen Studien zu attraktivieren und zu reformieren, führte man einen neuen Bachelor-Studiengang ein. Er eröffnet durch eine Kombination mit anderen Richtungen ein neues Spektrum an Möglichkeiten, um theologisch tätig zu sein.
Ziel war ein Studium, das theologische Grundkompetenzen mit Kompetenzen in Management und Medienarbeit verknüpft, die in der pastoralen Arbeit relevant sind, so der Studiengangsleiter und Professor für Liturgiewissenschaften in Salzburg, Alexander Zerfaß. Das Ergebnis ist der sechssemestrige Studiengang „Christian Culture, Change und Communication“ (4C), also „Christliche Kultur, Transformation und Kommunikation“.
Durch die Kombination von Theologie mit Betriebswirtschaftslehre und Kommunikationswissenschaften können die Absolventinnen und Absolventen ein breites Spektrum an Fähigkeiten erlangen. Der Dekan der theologischen Fakultät, Professor Michael Zichy, betont, dass sich die Anforderungen am Arbeitsmarkt geändert hätten und man darauf reagiere. Besonders die Kommunikation mit jungen Menschen sei wichtig.
Neben der Theologie stehen also Kompetenzen in den Bereichen Management und Kommunikation im Mittelpunkt. Zwei Pflichtpraktika vertiefen die pastoralen Erfahrungen und den Umgang mit Medien. Zusätzlich wurden eigens für diesen Studiengang neue Lehrveranstaltungen entwickelt, in denen man sich mit kirchlichen Aufbrüchen in der Geschichte und den Möglichkeiten der missionarischen Pastoral auseinander setzt – also wie man auf Menschen zugehen kann, und wie man „Mission“ neu zu denken hat.
Für „4C“-Studierende war eben diese Mischung einladend. David Röthlin wechselte letzten Herbst wegen dieses Studiums von Innsbruck nach Salzburg: „Ich habe einfach ein vielfältiges Interesse, das nicht mit einem Studium abgedeckt werden kann. Und ich möchte mich mit Theologie befassen. Da war der 4C-Bachelor eine spannende Alternative.“
Nicht nur die Studierenden in der Lehre profitieren von der inhaltlichen Mischung. Es gibt auch schon Überlegungen für gemeinsame Forschungsaktivitäten von Theologie und Wirtschaftswissenschaften. Und die Erfahrungen mit den 4C-Studierenden bereichern in der Diskussion die Professorinnen und Professoren der Theologie.
Die Nachfrage ist größer als gedacht. Das erfreut das Kollegium natürlich. Für Irritation unter den Partnerinnen und Partnern an den anderen Fachbereichen sorgte allerdings ein im Februar erschienener Zeitungsartikel. Er warf der Studienorganisation inhaltliche und finanzielle Abhängigkeit von kirchlichen Geldgebern und kirchennahen Vereinen vor. Dass durch Unterstützungszahlungen für den Lehrbetrieb seitens der Erzdiözese Salzburg eine Abhängigkeit entstehe, sei aber „völlig weltfremd“. Was unterrichtet wird, liege allein in der Zuständigkeit der Universität, bekräftigt Professor Michael Zichy.
Fazit: Mit dem neuen Bachelorstudium soll die Katholisch-Theologische Fakultät attraktiver werden. Eine starke vernetzte Studierendengemeinschaft ist auch eine Attraktivierungsmöglichkeit für neue Studierende. Zurzeit wird die KHG, die Katholische Hochschulgemeinde, neugestaltet. Der Club-Raum in der Kollegienkirche wird renoviert und soll zu einem Hotspot der Studierenden werden. Die Lage in der historisch bedeutsamen Altstadt und die familiäre Strukturiertheit der Theologischen Fakultät seien, was sie so ansprechend mache, meint Dekan Zichy.
Hintergrund
Mit einem neuen Studienangebot wirbt die Katholisch-Theologische Fakultät der Uni Salzburg seit Oktober 2022 um Studierende – und dies mit Erfolg. So teilte Michael Zichy, Dekan der Fakultät, zum Semesterauftakt mit, dass sich 30 Studierende für den Bachelorstudiengang „Christian Culture, Change & Communication“, auf deutsch „Christliche Kultur, Transformation und Kommunikation“ inskribiert haben. Der sechssemestrige Studiengang verbindet theologische und philosophische Grundfragen mit speziell zugeschnittenen Modulen aus den Bereichen Betriebswirtschaftslehre und Kommunikationswissenschaft. Mit dem Angebot wolle man die breite Anschlussfähigkeit der Theologie und zugleich ihre hohe gesellschaftliche Relevanz unter Beweis stellen, so Zichy.
Auch wenn die Herausforderungen für die Theologie groß bleiben, so seien die genannten Anmeldezahlen „wahrlich ein Grund zum Jubeln“, freute sich Michael Zichy. Er bedankte sich zugleich bei seinem Vorgänger als Dekan, Professor Alois Halbmayr, sowie bei der Erzdiözese Salzburg, die beide maßgeblich den neuen Studiengang vorbereitet und letztlich erst ermöglicht hätten.
Theologie und theologische Fakultäten blieben auch zukünftig unentbehrlich für die Gesellschaft, zeigte sich Dekan Zichy weiters überzeugt: „Theologische Fakultäten halten den Glauben im Dialog mit den Wissenschaften, sie halten ihn auf der Höhe der Zeit und anschlussfähig an die Gesellschaft und sie sind damit ein Bollwerk gegen religiöse Radikalisierung, gegen religiöse Fundamentalisierung und gegen die politische Instrumentalisierung von Religion – so wie wir sie aktuell etwa in Russland beobachten können." (kap)
Im Gespräch
Alexander Zerfaß ist Uniprofessor für Liturgiewissenschaft und Sakramententheologie. Er hat das 4C-Bachelorstudium mitentwickelt.
RB: Was hat das 4C-Studium der Wissenschaft und der Fakultät gebracht?
Zerfaß: Unmittelbar natürlich eine Belebung der Nachfrage. Der Start und die hohen Inskriptionszahlen im ersten Studienjahr waren mehr als erfreulich. Darüber hinaus ist es ein spannendes Studium für die beteiligten Lehrenden. Über das engere Studium hinaus erwarte ich mir verschiedene Ebenen der Kooperation, auch im Forschungsbereich.
RB: Möchte die Fakultät in Salzburg Vorbild für andere ähnliche Studiengänge sein?
Zerfaß: Die Tendenzen, neue Studiengänge zu entwickeln, gibt es schon länger und natürlich auch andernorts. Beispielsweise einen Studiengang „Grundlagen des Christentums“ in Linz oder ein Studium der „Angewandten Ethik“ in Graz. Aber unsere Mischung von Theologie mit BWL und Kommunikationswissenschaften gibt es sonst nirgends. Vielleicht finden wir Nachahmer, aber natürlich wünschen wir uns diese Idee eine Zeit lang als Alleinstellungsmerkmal.
RB: Was macht Salzburg als Studienort für Theologie aus?
Zerfaß: Neben der schönen Stadt ist die Fakultät sehr gut aufgestellt. Und man begegnet hier einem Mix an Spiritualitäten, seien es die unterschiedlichen Orden, HOME oder die KHG. Das zeichnet die Studierendengemeinschaft aus und macht sie spannend.
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