Graz. Franz Küberl war 22 Jahre Caritas-Direktor der Diözese Graz–Seckau, von 1995 bis 2013 Präsident der Caritas Österreich. In seinem aktuellen Buch analysiert er die Herausforderungen für Kirche und Gesellschaft und motiviert zum Miteinander. Er macht Hoffnung auf Veränderung und bringt Lösungsansätze – für eine friedliche, gerechte und barmherzige Gesellschaft.
RB: Ihr Buch trägt den Titel „Zukunft muss nach Besserem schmecken.“ Aktuell beschäftigt die hohe Zahl der Kirchenaustritte. Welche Ideen haben Sie als kirchlicher Insider dazu? Vor welchen Herausforderungen steht hier die Kirche?
Franz Küberl: Die Kirchenaustritte sind Zeichen an der Wand. Menschen können aus Gleichgültigkeit, Enttäuschung, Zorn oder besserer Glaubensangebote wegen weggehen. Selbstverständlich muss man die Entscheidung der Ausgetretenen, der Austretenden ernst nehmen und als ersten Schritt respektieren. Wie aber bleibt die Kirche mit ihnen im Gespräch? Wie kommuniziert die Kirche mit denen, die gegangen sind, und mit denen, die bleiben? Wichtig ist es, dass man zu den Ausgetretenen nicht alle Brücken abbricht.
Nachsichtig sein: Fehler nachzusehen, heißt ja nicht,
Fehler übersehen.
RB: Wie lässt sich Ihre Aussage „Glaube ist keine Ich-AG“ in Zeiten von Krisen und großer Unsicherheit glaubhaft vermitteln?
Küberl: Vor allem darin, wie man sich verhält: Wie arbeite ich? Wie vertrete ich jene Werte, die mir wichtig sind? Keiner kann für sich allein leben. Auch der Einsiedler nicht, denn auch er braucht Menschen, die Nahrungsmittel beziehungsweise Essen bereitstellen. Daher ist es von Bedeutung, dass man sich des Wertes der Mitmenschen und des Miteinanders bewusst ist. Klarerweise gibt es Entscheidungen im Sinngehäuse des Lebens, die jede/r Einzelne allein treffen muss, die er/sie nicht delegieren kann.
RB: Sie widmen sich in Ihrem Buch dem Thema „Nachsicht“. Wie gelingt sie, wie gelang sie Ihnen?
Küberl: Fehler nachzusehen, heißt ja nicht, Fehler übersehen. Nachsichtig mit sich selbst zu sein, bedeutet auch nicht, Fehler, die man selbst gemacht hat, zu ignorieren: Man muss hinschauen, den oder die Fehler beheben, damit niemand zu Schaden kommt und dann weiter arbeiten. Meine Devise lautet: Jeder und jede hat das Recht, einen Fehler einmal zu machen. Wenn es Menschen gelingt, Fehler zu vermeiden, nicht in alte Muster zurückzufallen, werden sie stärker.
RB: Wer in Ihrem Buch zum Thema „Vorbilder“ Prominente sucht, sucht vergeblich?
Küberl: Für mich ist die Caritas ein unermessliches Lernfeld: Sowohl von den Mitarbeitern als auch von unseren Schützlingen habe ich viel gelernt. Einmal lud mich eine Gruppe des Obdachlosenhauses zum Essen ein. „Wir brauchen Servietten, der Küberl kommt!“, hieß es im Vorfeld des großartigen Essens, das ich hier serviert bekam. Das war wie eine Liturgie, die Gespräche waren auf Augenhöhe und ich habe verstanden, dass es nicht für jeden selbstverständlich ist, eine Mahlzeit gekocht zu bekommen. Es gibt so viele wunderbare Menschen, die in schwierigen Verhältnissen an die Zukunft glauben.
RB: Welche Ideen und Anregungen haben Sie gegen die Lebenssinnleere?
Küberl: Die eine Frage ist: Was macht denn mich aus? Woher beziehe ich Kraft, Wissen, Zuspruch und Energie, damit ich etwas tun kann? Lebenssinn fließt einem ja, wie oben gesagt, immer auch über Begegnungen zu. Das zweite ist einfach die Überlegung: Was ist mein Beitrag dazu, dass nicht nur mein Leben, sondern auch das von anderen Menschen ein wenig besser gelingen kann.
Buchtipp und Buchpräsentation:
Als Leitfaden für ein christliches Leben ruft Franz Küberl, der am 22. April seinen 70. Geburtstag feiert, das Liebesgebot und die Katholische Soziallehre in Erinnerung. Er bezieht Stellung zu sozialer Ungerechtigkeit, Reformstau in der Kirche, aber auch zur Globalisierung.
➡ Franz Küberl, Zukunft muss nach Besserem schmecken, Herausforderungen für Kirche und Gesellschaft. Tyrolia-Verlag, Innsbruck – Wien 2023, 144 S., auch als E-Book, 22 € ISBN 978-3-7022-4097-4.
➡ Buchpräsentation am Di., 14. März, 19 Uhr, SN-Saal Karolingerstraße 40, Salzburg.
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