Rupertusblatt: Haben Sie in der Logotherapie auch mit Menschen mit Angsterkrankungen zu tun? Wie zeigt sich das?
Emmanuel Bauer: In der Sinnfrage, die eine der tragenden Bedingungen für ein gelingendes Leben ist: Einerseits der richtige Umgang mit Angst, dass ich gut leben kann. Zum anderen, dass ich gut in Beziehung bin mit anderen Menschen, den Dialog, die persönliche Beziehung pflegen kann. Und dass ich ein gesundes Selbstsein habe, dass ich wirklich der bin, der ich sein will, dass ich authentisch bin.
Und dass ich nicht irgendwo für mich abgeschlossen lebe, sondern, dass ich mich für etwas einsetze – für andere, für mich, für Werte. Dass ich etwas Wertvolles zustande bringe mit dem Leben. Das ist die Sinnfrage. Da spielt natürlich schon die Angst auch eine Rolle. Angst kann ein Hindernis sein, dass ich mich entfalte in Richtung meiner Aufgaben, die mir Sinn schenken würden. Dann dreht sich das Ganze im Kreis.
RB: Was versuchen Sie, den Menschen mitzugeben?
Bauer: In der Therapie versuche ich, die Menschen dahin zu führen, dass sie erkennen: Wo liegen ihre Möglichkeiten, sich und ihre Fähigkeiten zu entfalten und sich einzubringen in die Welt, ganz sie selbst zu sein, und so Sinn zu erfahren. Das kann ich ihnen nicht aufstülpen. Ich kann nur helfen, dass dieser Mensch für sein Leben, seine Situation, seine Herausforderungen den richtigen Weg findet.
RB: Wie sieht ein solches Therapiesetting konkret aus?
Bauer: Die erste Frage ist, was den Menschen zu mir führt. Dass er sagt, was ihn bewegt, therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen zu wollen. Wenn er das formuliert, zeigt sich meistens das hauptsächliche Problem, an dem er gerade leidet. Dann gilt es, das anzugehen, auf die tieferen Gründe zu achten, diese herauszufinden. Ihm zu helfen, die positiven Kräfte und Ressourcen zu entdecken und zu fördern, sodass er wieder gut in seinem Leben zurechtkommt.
Die Grenze zwischen Angst, die noch gesund ist, und Angst, die als krankhaft einzustufen ist, ist fließend.
RB: An Angststörungen zu leiden oder die „krankmachende“ Angst im Leben mitzutragen, gilt in unserer Gesellschaft noch immer als Tabu. Wie kann man dieses Tabu ein Stück weit aufbrechen?
Bauer: Grundsätzlich geht es darum, den Menschen klar zu machen, dass Angst zum Leben gehört. Und, dass die Grenze zwischen Angst, die noch gesund ist, und einer Angst, die beginnt, mich zu stören in meinem Leben und deswegen als krankhaft einzustufen ist, dass die sehr fließend ist. Und dass es, wenn es nicht eine massive psychiatrische Erkrankung ist, die Möglichkeit gibt, dass ich von diesen Formen der Angst, die mich im Leben bereits stören, wieder wegkomme – durch eine gute Therapie in der vorhin beschriebenen Weise: Dass man auch lernt, genauer hinzuschauen, auf die angstauslösenden Gründe. Dass man eventuell diese Erfahrungen aufarbeitet, durch ein gewisses Nacherleben, aber in einer geschützten Umgebung – um sich neuen Situationen besser stellen zu können, wo ich weiß: Ich brauche nicht Angst zu haben, weil ich genügend eigene Kräfte habe und eigentlich die Bedrohung gar nicht so groß ist, wie ich gefürchtet habe.
RB: Gibt es zum Thema Angst noch etwas, das Ihnen besonders wichtig ist und das Sie den Leserinnen und Lesern mitgeben wollen?
Bauer: Wenn jemand tatsächlich das Gefühl hat, dass er unter Angst leidet, sollte er den Mut haben, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Da gibt es gerade bei der Angsttherapie sehr gute Erfolgsaussichten. Für christlich orientierte Menschen würde ich schon eher eine Richtung empfehlen, die personalorientiert ist: Existenzanalyse, Logotherapie oder Gesprächstherapie nach Carl Rogers, Gestalttherapie. Das sind Schulen, die den Menschen primär als Person in den Mittelpunkt stellen.
Anlaufstellen
Salzburger Landesverband für Psychotherapie: www.psychotherapie.at/landesverbaende/salzburger-landesverband-fuer-psychotherapie, Tel.: 0662/82 38 25
Datenbank des Gesundheitsministeriums mit allen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten: https://psychotherapie.ehealth.gv.at
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