Salzburg. Die schlechte Nachricht zur Ouverture spirituelle der Salzburger Festspiele vorneweg: Wer sich jetzt noch Karten für das Mozart-Requiem, Haydns Schöpfungs-Oratorium oder das Brahms-Requiem mit den Wiener Philharmonikern sichern möchte, kommt zu spät. Die Publikumsmagneten sind erwartungsgemäß bereits ausverkauft. Gute Chancen haben freilich noch all jene Kulturinteressierten, die nach musikalischen Raritäten suchen.
„Die Programmierung der Ouverture spirituelle ist auch für uns jedes Jahr eine Entdeckungsreise. Wir stoßen zum zuvor ausgewählten Thema immer wieder auf Werke, die wir selbst noch nicht kannten oder die bei den Festspielen lange nicht mehr zu hören waren“, verrät der verantwortliche Konzertchef Florian Wiegand. Der „Sonnengesang“ der Komponistin Sofia Gubaidulina, dem die Schöpfungsverherrlichung des heiligen Franz von Assisi zugrunde liegt, sei etwa so ein Stück: eine Festspiel-Premiere (es wird gemeinsam mit den von Peter Sellars inszenierten Schütz-Exequien aufgeführt). Oder die „Éclairs sur l’Au-delà…“(dt. Streiflichter über das Jenseits) des Franzosen Olivier Messiaen. Das Stück für nicht weniger als 141 Instrumente ist das letzte vollendete Werk des gläubigen Komponisten. Für Messiaen bedeutete Musik laut eigenen Worten „eine Pforte in überirdische Sphären“.
„Selbst ein großartiges Werk wie das Requiem von Heinrich Ignaz Franz Biber hatten die Salzburger Festspiele, soweit ich weiß, erst zweimal im Programm. Obwohl es sogar in Salzburg uraufgeführt wurde“, ergänzt Wiegand. Eine weitere Rarität ist Salvatore Sciarrinos „Infinito Nero“ (unendliches Schwarz), das auf den Zustand der Welt vor ihrer Erschaffung verweist. Vom Dunkel zum Licht, von der Trauer zu Trost und Hoffnung – ganz im Sinne des diesjährigen Mottos „Lux aeterna“ (ewiges Licht). Gleich mehrere Kompositionen stammen dabei aus den letzten Lebensjahren der Protagonisten und setzen sich muskalisch mit der Frage „Was erwartet uns danach?“ auseinander. Auch die zwei gezeigten Filme von Derek Jarman (Blue) und John Cage (One11) wurden jeweils kurz vor dem Tod der beiden Künstler fertiggestellt.
Wolfgang Amadé Mozart starb bekanntlich während der Arbeit an seinem (von anderen Komponisten vollendeten) Requiem. Vier Jahre vor seinem Ende schrieb der berühmteste Sohn Salzburgs in einem Brief über den Tod, dass dieser „nichts Schreckendes mehr für mich hat, sondern sehr viel Beruhigendes und Tröstendes... Ich lege mich nie zu Bette, ohne zu bedenken, dass ich vielleicht (so jung als ich bin) den andern Tag nicht mehr sein werde“.
Interview
RB: Wie würden Sie die Rolle der Kollegienkirche als Hauptschauplatz der Ouverture spirituelle beschreiben?
Florian Wiegand: Sie ist einer der eindrücklichsten Orte, die wir haben – gerade auch für anspruchsvollere oder unbekanntere Musik. Die Aura dieses sakralen Raums hilft jedem Einzelnen, in die Musik einzutauchen, sich ganz darauf einzulassen. Was die Konzentration anbelangt, gibt es keinen Aufführungsort der Salzburger Festspiele, wo wir ein so fokussiertes und offenes Publikum haben. Es lassen sich Klangerlebnisse schaffen, die es in einem Konzertsaal so nicht gibt.
RB: Wie steht es um Ihren persönlichen Glauben in Bezug auf die diesjährige Kernfrage: „Was kommt nach dem Tod?“ Was würden Sie selbst antworten?
Wiegand: Ich glaube an etwas Höheres, aber was das genau ist, kann ich nicht beantworten. Es gibt Momente, in denen ich die Anwesenheit Gottes wahrnehme – nicht nur im Kirchenraum oder in der Musik, sondern auch in der Natur. Wenn ich wie neulich meine Wanderschuhe anziehe, zwei Tage allein durch die Berge laufe und die Wunder der Schöpfung sehe, dann spüre ich, dass da etwas ist. In solchen Momenten ist es mir gar nicht so bange, was danach kommt. Auch wenn ich davon – wie wahrscheinlich die meisten Menschen – keine genaue Vorstellung habe.
Tipp
Gespräche zur Ouverture spirituelle, die „Disputationes“ finden am 24., 25. und 26. Juli im Haus für Mozart statt (Infos: www.disputationes.at) – Alle Infos unter: www.salzburgerfestspiele.at
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