RB: Haben Sie durch die Beschäftigung mit den Schriften der alten Meister den tiefen Sinn des Lebens herausgefunden?
Johannes Huber: Eine der ersten Großleistungen des menschlichen Verstandes, unmittelbar nach dem Erwachen seines Bewusstseins, war die Erkenntnis, dass es eine Intelligenz gibt, die seine eigene Intelligenz übersteigt – wir nennen es heute Transzendenz. In den alten Schriften spiegelt sich dieses Erwachen in einer unerwartet klaren Diktion wider. Jahrtausende später stempelte der Philosoph Ludwig Feuerbach dies als Erfindung der menschlichen Sehnsüchte ab. Der Psychotherapeut Otto Kernberg hingegen spricht davon, dass die Menschen das Transzendente entdeckt haben und schließt sich damit der Weisheitslehre der Antike an.
RB: Ihr Buch soll Suchenden eine Hilfestellung sein. Würden Sie sich selbst als Suchenden bezeichnen?
Huber: Jeder Wissenschaftler ist ein Suchender, da keiner von sich behaupten darf, die Weisheit gepachtet zu haben. In Sinnfragen wird allerdings das Suchen schwerer, da unser Planet zum globalen Vergnügungsland wird und man alle Brücken zu anderen Seinsweisen abbricht. Die Erhebung des Konsums zum Maß aller Dinge verdunkelt den Blick für das Transzendente.
RB: Leben Sie auch nach den Anleitungen der großen Mystiker?
Huber: Pythagoras liefert dazu gute Beispiele: den Geist durch gelegentliches Fasten wach zu halten, über wissenschaftliche Fragen nachzudenken und dabei sein Herz zu erfreuen, Gutes zu tun, wo es möglich ist und sich stets zu vergegenwärtigen, dass wir Teil eines großen ewigen Universums sind, in dem wir eingebettet sind.
RB: Welcher dieser Denker hat Sie persönlich am meisten beeindruckt und inspiriert?
Huber: Platon hat das Feuer der Transzendenz entzündet, das über Jahrtausende weitergetragen wurde. Er war der Meinung, dass dieses Leben – wie der Schatten in einer Höhle – nur der Abglanz einer anderen Welt ist, was selbst schon für dieses Universum gelten könnte – für den subatomaren Bereich, aus dem auch wir bestehen. Dort wo es keine Zeit und auch keinen Raum gibt. Der Nobelpreisträger Sir Penrose vertritt diese Meinung.
RB: Ist es möglich, dass der moderne, technologisch orientierte Mensch die Lehren der alten Weisen umsetzen kann?
Huber: Sie können wertvolle Anregungen sein – und gleichzeitig auch ein Gegenpol zu der Einstellung, das Leben sollte in seiner Immanenz reichlichst aufgefasst werden, um alles im Diesseits anzusiedeln, um der Erde treu zu bleiben und auf ihr zu konsumieren.
RB: Sie sind zu dem Schluss gekommen, dass die jahrtausendealten Schriften im Grund alle das Gleiche aussagen. Welche dieser Aussagen ist Ihrer Meinung nach die Wichtigste?
Huber: Der Philosoph Karl Jaspers stellte als einer der Ersten fest, dass zwischen dem 8. und 2. vorchristlichen Jahrhundert in verschiedenen Erdteilen die Überzeugung entstand, dass es neben der innerweltlichen Existenz noch andere Seinsformen geben müsste. Er nannte diese Zeit „Achsenzeit“.
RB: Wäre es denkbar, dass man durch das Studium der alten Schriften die wahre Bestimmung unseres Daseins finden kann?
Huber: Der antike Mensch war weit weniger abgelenkt als der moderne – deswegen ist es wohl denkbar, dass er in Existenzfragen tiefer schürfte als die Jetztzeit.
RB: Was halten Sie von Zarathustras Aussage, den Konflikt zwischen Gut und Böse zu lösen, indem wir den guten übernatürlichen Wesen durch gutes Denken, gutes Handeln und gutes Reden ermöglichen, durch uns an der Besserung der Welt zu arbeiten. Könnten wir so die Konflikte der Erde lösen?
Huber: Während die Propheten die Gabe zugeschrieben wird, noch nicht Eingetretenes zu erahnen, besitzen die Heiligen die Gabe, durch gutes Denken und Handeln in besonderer Weise zur Besserung unserer Welt beizutragen; die Kraft dafür bekommen sie – und das war auch die Auffassung Zarathustras – von einer anderen Seinsweise, dort, wo das Christentum die Engelwelt ansiedelt. Derzeit könnte sich diese Botschaft auf eine Art elftes Gebot fokussieren: „Du sollst versöhnen.“
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Der Arzt, Theologe und Bestsellerautor Johannes Huber war zehn Jahre lang Sekretär von Kardinal Franz König. Danach studierte er Medizin und spezialisierte sich auf Frauenheilkunde und Geburtshilfe. In seinem neuen Buch „Die Datenbank der Ewigkeit“ ermöglicht er Begegnungen mit großen Denkern wie Echnaton, Heraklit, Sokrates oder Pythagoras.
Johannes Huber, Die Datenbank der Ewigkeit, www.edition-a-at, 304 Seiten, 26 €, ISBN: 978-3-99001-673-2
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