RB: Wenn man Sie vorlesen oder Interviews mit Ihnen hört, wecken Sie viel Hoffnung, man bekommt eine Vision davon, wie man Frieden, wenn nicht gar Liebe, leben könnte. Woher kommt diese Kraft, kommt diese Zuversicht?
Heinz Janisch: Ich habe als Kind Liebe und Geborgenheit erlebt, bei den Eltern und Großeltern, bei Nachbarn und Freunden – das gibt einen guten Unterboden, der hält. Bei der Arbeit für die „Menschenbilder“ habe ich gesehen, dass die schönsten Begegnungen dann möglich sind, wenn Respekt, Neugier, Ehrlichkeit spürbar werden. Wir sollten aufhören uns auf das „Außen“ zu fokussieren und mehr auf das „Innen“ hören – das würde uns allen guttun.Wenn man sein „Ich“ gut spürt, dann ist der Schritt zum „Du“ und zum „Wir“ leichter.
RB: Was war Ihr erstes Kinderbuch, wie kamen Sie zum ORF, wie lange schreiben Sie schon?
Janisch: Schon als Kind habe ich gern geschrieben und habe Geschichten, die ich gelesen habe, einfach weitergedacht. Ich habe Germanistik und Publizistik in Wien studiert. Durch Zufall bin ich als Redakteur bei der Kinderzeitschrift „Weite Welt“ gelandet. Die Schriftstellerin Lene Mayer-Skumanz war die Chefredakteurin der Zeitschrift, sie hat mich ermutigt, auch für Kinder zu schreiben. Als angehender Journalist habe ich für Studentenzeitschriften geschrieben. Nach einem Interview bei der Ö3-Jugendredaktion hat meine Radiotätigkeit bei Ö3 und später bei Ö1 begonnen. Als mein Abteilungsleiter Hubert Gaisbauer 1984 die Porträt-Reihe „Menschenbilder“ begründete, habe ich früh mitgearbeitet und die Reihe später als Producer geleitet. Heute sind über zweitausend Porträts im Archiv. Ich war vierzig Jahre lang mit der Arbeit fürs Radio beschäftigt, in der Nacht habe ich geschrieben – zwei „Herzensberufe“.
RB: Ihre Texte werden ja von unterschiedlichen Künstlerinnen und Künstlern illustriert, einmal ist es Helga Bansch, dann Linda Wolfsgruber, dann Michael Roher, um nur einige zu nennen. Was ist Ihnen dabei wichtig?
Janisch: Ich sammle Bilderbücher, weil sie großartige Doppelgeschenke sind – man bekommt eine Geschichte und eine kleine Kunstausstellung in zwölf oder vierzehn Bildern in die Hand. Ich liebe es, wenn Kunstschaffende mit ihren Bildern weit über den Text hinausdenken und eigene Bild-Räume öffnen.
RB: Laut einer OECD-Studie (2024) hat die Lesekompetenz Erwachsener in den untersuchten 31 Ländern deutlich nachgelassen. Wie begeistern Sie Erwachsene und Kinder fürs Lesen oder fürs Vorlesen?“
Janisch: Lesen weckt Empathie, es zeigt mir, wie andere Menschen fühlen und denken. Und jedes Buch stellt Fragen an mich selbst: Wie geht es mir? Wie würde ich mich verhalten. Man sollte sich mit einem Buch wie mit einem Freund aufs Sofa setzen, so nach dem Motto: „Komm, lass uns reden…“ Bücher als Freunde begreifen, das Vorlesen als schönes Miteinander erleben, als geschenkte Nähe, das Spiel mit der Sprache entdecken durch Reime – es gibt viele Gründe, um Bücher immer wieder neu zu entdecken.
Heinz Janisch ist so zurückhaltend wie präsent, so kreativ wie bescheiden.
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