Wenn sich die Türen des Passionsspielhauses am 25. Mai nach sechsjähriger Pause wieder öffnen, nehmen die Erlerinnen und Erler das Publikum wieder mit auf eine Reise durch die Karwoche. Sie erzählen vom Einzug in Jerusalem, vom Abendmahl und vom Ölberg, von der Kreuzigung und der Grablegung bis zur Auferstehung.
Regisseur Martin Leutgeb geht sogar noch weiter: Er beginnt bei der Geburt. „Wir zeigen Maria, die bereits ahnt, was auf ihr Kind zukommen könnte. Und wir erzählen die Flucht“, berichtet der gebürtige Tiroler. Der Höhepunkt, die Auferstehung, ist für ihn kein Spektakel, sondern ein stiller, symbolischer Moment: „Ein Kind öffnet das Grab. Jesus begegnet sich selbst – als Zwölfjähriger, als der, der er einmal war. Diese Begegnung ist für mich die Kraftquelle. Das Kind gibt ihm die Stärke, seinen Weg zu gehen. Und Maria Magdalena ist die Erste, die erkennt, dass er lebt – das ist eine der schönsten Botschaften der Bibel. Sie ist damit eigentlich die erste Apostelin“, sagt Martin Leutgeb.
Handwerk und High-Tech
Neu präsentiert sich heuer auch die Bühne: Für die denkmalgeschützte Spielfläche entwarfen Regisseur Martin Leutgeb und Bühnenbildner Hartmut Schörghofer eine monumentale Treppe. Es entstand ein Meisterwerk aus traditioneller Handwerkskunst und High-Tech mit millimetergenauer Frästechnik. Strahlend weiß, ragt sie in den Raum – ohne Anfang, ohne Ende. Sie verbindet Himmel und Erde, Vergangenheit und Gegenwart, Glaube und Zweifel, Verrat und Hoffnung, Schmerz und Erlösung. Daneben wurde ein zersplitterter Berg aufgebaut, ein Symbol für die Natur, ein Sinnbild der Zerrissenheit der Welt. „Dieser zersplitterte Berg ermöglicht Rückblenden. Er besteht aus bespannten Rahmen, die transparent werden können und Öffnungen freigeben. So entsteht ein ‚sprechender‘ Berg“, erklärt Bühnenbildner Schörghofer.
Auf der Erler Passionsbühne bringt sich unter den 600 Mitwirkenden auch Anna Maurberger ein und zwar wieder als Maria Magdalena.
Von klein auf stand die Erlerin – bis auf ein Spieljahr – immer auf der Passionsbühne: beim Volk, als Tänzerin des Herodes, als Magd. 2019 stellte sie erstmals Maria Magdalena dar. Während Anna Maurberger 2013 noch die „Ersatz-Maria Magdalena“ spielte, teilt sie sich in diesem Spieljahr diese Rolle gleichwertig mit Isabella Anker, ihrer besten Freundin seit dem Kindergarten. Diese geteilte Erfahrung schweißt die beiden noch mehr zusammen. „Die Doppelbesetzung gibt der ganzen Passionsgemeinschaft Sicherheit für den Fall, dass einmal etwas passiert. Der respektvolle Umgang damit und die Gleichwertigkeit schaffen ein gutes Miteinander. Man kann sich austauschen, gegenseitig unterstützen“, ist Anna Maurberger dankbar. Das Los entschied, dass sie die letzte Vorstellung, ihre Kollegin Isabella Anker die Premiere spielen wird.
Der Proben- und Spielaufwand jeder und jedes einzelnen Mitwirkenden ist gewaltig, aber für die 31-jährige Kindergartenpädagogin jeden Einsatz wert: „Die Probenzeit ist sehr intensiv. Aber man weiß, worauf man sich einlässt. Ab der Spielzeit kann man wieder besser planen“, sagt Anna Maurberger, die schon als Kind gerne Theater spielte. „Die Gemeinschaft und der Zusammenhalt im Dorf während der Vorbereitung und im Spieljahr selbst ist etwas Besonderes. Als Erler oder Erlerin muss man das einfach mittragen. Meine ganze Familie ist auch dabei. Ich engagiere mich außerdem im Vorstand. Eine Rolle zu bekommen, ist eine große Ehre. Und für mich ist es zudem ein Beitrag, um ein wertvolles Kulturgut zu erhalten“, führt Maurberger aus.
Erl ist bekannt für seine modernen Ansätze in der Darstellung des Leidens und Sterbens Jesu. Auch im Hinblick auf die Rolle der Frau. Die Rolle einer so starken Frau in einer männerlastigen Gemeinschaft zu verkörpern, bedeutet Anna Maur-berger viel. In der Inszenierung kommt ihrer Figur eine wichtige, wertschätzende Rolle zu, in der sie textlich sehr präsent ist. „Maria Magdalena ist in unserer Passion eine starke Frau in einer männerdominierten Welt, die sich etwas sagen traut, für Frauenrechte einsteht. Sie ist eine Gefährtin Jesu, die viele Jünger wertschätzen. Sie ist vom Anfang bis zum Ende dabei, leitet und führt die Jünger. Sie zeigt viel Verständnis und Gespür. Sie hat die Botschaft verstanden, auch wenn sie sich für und mit Jesus ein anderes Ende erhofft hatte“, beschreibt es die Darstellerin, die sich mit dieser Rolle voll und ganz identifizieren kann. Mit Liebe und Überzeugung etwas zu verfolgen, wofür das Herz richtig schlägt, finde sie sehr schön.
Mit ihrer Darstellung will Anna Maurberger das Publikum berühren und ihnen den Glauben, das Gute, die Hoffnung weitergeben. „Es ist eine Herausforderung, selbst so viel Gefühl und Emotion preiszugeben“, gibt sie zu: „Aber gleichzeitig ein schöner Nervenkitzel, zuerst vor dem eigenen Dorf aufzutreten und dann vor bis zu 1.500 Menschen bei 32 Vorstellungen bis Oktober.
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