Salzburg. „Das Hinschauen auf das Ge-genüber ist wichtiger als das, was ich mache, das Begreifen der Dinge von innen her. Ein Werk wächst von innen nach außen, an der Oberfläche wird das Innerste sichtbar.“ So lautete gleichsam das künstlerische Credo des am 5. März 1933 in Kuchl geborenen Künstlers Josef Zenzmaier. Sein Vater war Straßenbauer, und er hat mit seiner Kunst eine Straße in das Innere des Menschen gebaut. Mit 13 Jahren begann er bereits zu zeichnen und zu modellieren. Es folgten die Ausbildung an der Berufsfachschule für Holz-, Stein und Metallbearbeitung in Hallein und eine Steinmetzlehre.
Wegweisend für seinen künstlerischen Werdegang wurden zwei bedeutende Künstlergestalten des 20. Jahrhunderts, Oskar Kokoschka und Giacomo Manzù. Bei der neu gegründeten Sommerakademie 1953 in Salzburg kam es zur ersten Begegnung mit Kokoschka und seiner Schule des Sehens. Zenzmaier meinte später: „Das hat mir Halt gegeben und eine Antwort auf meine Frage, was Kunst eigentlich sein kann. Die Leidenschaft Kokoschkas war von einer Art, die Welt durch und durch anzuschauen, sich von ihr nähren zu lassen.“
Giacomo Manzù war Lehrer, Weggefährte und väterlicher Freund in Einem. Durch ihn und Aufenthalte in Italien kam er mit dem Bronzeguss in Berührung und praktizierte ab diesem Zeitpunkt das sonst in keiner österreichischen Gießerei mehr übliche Wachsausschmelzverfahren. Er lernte von ihm nach eigenen Worten vieles, besonders auch im menschlichen Bereich.
1959 erhielt er mit der Tulpenkanzel in Golling seinen ersten kirchlichen Auftrag. Im gleichen Jahr heiratete er seine Frau Anneliese, die bis zu ihrem Tod 1991 mit ihm künstlerisch tätig gewesen ist. „Ich arbeite an sich gerne für Kirchen. Religiosität ist überhaupt ein Wesenszug der Kunst“, meinte der Künstler einmal.
So sollten im Laufe seines jahrzehntelangen Künstlerlebens noch viele kirchliche Kunstwerke entstehen. Zenzmaiers Arbeiten finden sich etwa in den Salzburger Pfarren Aigen/Glasenbach, Lehen, Morzg und Maxglan, bei den Vöcklabrucker Schulschwestern in Salzburg, in Pfarrwerfen, Plainfeld, Schüttdorf, Thiersee, Schwoich, Dienten sowie in großer Dichte in Kuchl und Golling. Bekannt ist etwa der schreitende Virgil im Bildungszentrum St. Virgil (1976), ein wandernder Mönch, der dem Betrachter erdschwer und doch schwebend entgegengeht. Für die ihm sehr verbundene Pfarrkirche Kuchl schuf er neben den liturgischen Orten eine gelungene Neukonzeption des Hochaltarensembles und entwarf ein Fastentuch. Die Studierenden der Paracelsus-Privatuniversität begrüßt Zenzmaiers schreitender Paracelsus. Der große Arzt ist hier nicht der unfehlbare Gelehrte, sondern der oft verzweifelt Suchende, der sich das Wissen erwandert.
Aber auch Kulturbeflissenen begegnet Zenzmaier in Salzburg: 2006 wurden seine Reliefs von Motiven aus Mozartopern am Haus für Mozart aufgehängt. Eines seiner letzten Werke steht beim Bergbau- und Gotikmuseum in Leogang, der Annabrunnen, der 2022 aufgestellt worden ist.
Im Foyer des Salzburger Bischofshauses befindet sich sein Gnadenstuhl aus dem Jahr 1992. Für die Hauskapelle von Erzbischof Franz Lackner hat er erst vor wenigen Jahren eine kleine Plastik des großen Franziskanertheologen Johannes Duns Scotus geschaffen. Erzbischof Lackner kannte den Künstler aus mehreren Begegnungen persönlich und würdigte in einer Stellungnahme anlässlich seines Todes sein umfangreiches Wirken.
Josef Zenzmaier war geografisch kein weit gereister Mensch. Er blieb seiner Heimat und seinen Materialien treu. Und doch verraten seine Kunstwerke bis heute eine künstlerisch weltumspannende und vielschichtige Sprache. Sie sind Kunst, die immer wieder zum Schauen einlädt, zum Sehen hinter die Dinge.
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