Salzburg. Ein Gedanke hinter der Kirchenkunst zur Fastenzeit ist, sich von bemerkenswerten, teils spektakulären Werken beim Nachdenken über grundlegende Fragen des menschlichen Lebens und Glaubens inspirieren und herausfordern zu lassen. So sieht Künstlerin Annette Neutzner jene Schiffssegel, die sie für ihre Installation in der Salzburger Kollegienkirche ausgewählt hat, als Symbole für unser Leben: „Sind nicht auch wir schon verwundet, zerfetzt und wieder geflickt worden?“
Die Bezeichnung „Kirchenschiff“ war wohl noch nie so zutreffend wie aktuell in der Kollegienkirche. Sieben großflächige, bemalte Schiffssegel wehen während der Fastenzeit in der 58 Meter hohen Kuppel des für seine Kunstinstallationen bekannten Gotteshauses. Es ist die bislang größte Performance der Salzburger Künstlerin und Pastoralassistentin Annette Neutzner, die seit ihrem Kunststudium in Linz in den 1990er-Jahren eine Vielzahl biblisch und religiös inspirierter Arbeiten vollendete. Ihre Motivation für den Schwerpunkt ihres künstlerischen Schaffens? „Ich habe nach einem Lebenssinn gesucht und im Glauben eine Antwort gefunden. Zuerst war es die Kunst und dann der Glaube“, erklärt Neutzner.
Und wie kam für die aktuelle Arbeit mit dem Titel „Segel setzen Hoffnung“ das Schiffszubehör ins Spiel? „Mir hat vor zwei Jahren die Installation eines Künstlers in der Kollegienkirche sehr gut gefallen – bis auf den verwendeten Stoff. Auf der Suche nach einem besseren Material bin ich durch eine befreundete Seglerin auf Segeltuch gekommen. Bei ersten Malproben hat mir sofort dieser Glasfenster-Effekt gefallen, weil es etwas durchscheint und dadurch die Farben bei Sonnenlicht noch leuchtender sind“, beschreibt Annette Neutzner die Materialsuche.
Der letztlich verwendete Rohstoff vom Wolfgangsee dürfte nicht nur bei Kunstliebhabern, sondern auch bei Sportbegeisterten Erinnerungen wecken. Es handelt sich um Restposten der Firma Hubert Raudaschl, deren Gründer dereinst Segel-Weltmeister und Olympia-Medaillengewinner war. „Dass die Segel bereits abgenutzt sind und eines vom Sturm zerfetzt war, ist ein schönes Symbol für unser Leben. Sind wir nicht alle wie Schiffssegel schon verwundet, zerfetzt und wieder geflickt worden“, fragt sich die Künstlerin.
Annette Neutzner sagt, was sie denkt, und denkt, was sie sagt. Kunst sei für sie dabei immer eng mit ihren „persönlichen Glaubenserfahrungen“ verbunden – also nicht ausschließlich mit der offiziellen kirchlichen Lehre. Thematisch seien die Segel in der Kollegienkirche von den sieben Vaterunser-Bitten inspiriert: „Es ist mir ein Anliegen, den alten Schatz des Vaterunsers in dieser Fastenzeit für Menschen erfahrbar zu machen.“ Aber Neutzner betont auch: „Ich beschäftige mich gern mit den aramäischen Urtexten oder auch mit den griechischen Texten statt mit der Einheitsübersetzung der Bibel. Geht man diesen auf den Grund, hat das Vaterunser eine noch viel tiefere Dimension. Ich habe dazu meditiert und danach mit den ersten Skizzen für die Segel begonnen.“
Das Resultat ist auf jeden Fall beeindruckend und freut auch Christian Wallisch-Breitsching, Verwaltungsdirektor der Kollegienkirche: „Es ist eine sehr intensive, spannende Intervention. Mit ihrem Mittelschiff und den großen Fenstern in der Apsis hat die Kollegienkirche ja wirklich etwas von einem Schiff – das jetzt sinnbildlich die Segel setzt und sich mit der hoffnungsvollen Botschaft des Lebens durch die Fastenzeit in Richtung Ostern bewegt. Unser Dank gilt auch der Erzdiözese, die das Projekt finanziell unterstützt hat.“
Installation & Performance
Installation von Annette Neutzner
Segel setzen Hoffnung – Mensch im Werden
22. Februar – 16. April, täglich von 10 bis 18 Uhr
Salzburger Kollegienkirche
Performance
Samstag, 25. März, 19 Uhr
Salzburger Kollegienkirche
Sologesang, Chor, Kontrabass, Flöten, Percussion und Tanz.
Musikalisches Konzept: Christoph Lindenbauer.
Mit der Jugendkantorei am Dom unter der Leitung von
Gerrit Stadlbauer u. a.
Aktuelles E-Paper