Thiersee/Kufstein. Jeden Tag sitzt Anna Fankhauser daheim in vollkommener Stille. Vor ihr liegen Papier, Karton, Schere, ein Spruch, den sie notiert hat. Gekonnt schneidet sie ohne Vorlage feinste kleine Buchstaben aus. Sie sind das Herzstück ihrer vielen Kunstwerke, auf die sie Wörter, Sprüche, Sätze klebt. Sie gestaltet Karten, die sie verschenkt: zu Taufen, goldenen Hochzeiten oder wenn sie spürt, dass jemand etwas braucht.
Was die Thierseerin gestaltet, fällt ihr spontan ein. Damit begonnen hat sie, als sie sich mehrere Jahre im Altenwohnheim engagierte. „Dort haben wir Ansichtskarten zerschnitten und mit Holzvorlagen Buchstaben ausgeschnitten, einen Kalender gemacht, ein Plakat gestaltet. Die Wirkung dieser Bastelarbeiten hat mich fasziniert. Danach gestaltete ich ein Plakat zu einem Loretto-Projekt, mittlerweile hängt es im Kufsteiner Kloster Kleinholz.“
Nach einem privaten Schicksalsschlag vor 18 Jahren entstand für Anna Fankhauser eine Beziehung zu besagtem Kloster. Sie begann kirchliche Angebote anzunehmen, sich spirituell weiterzubilden. „Ich versuche, dem Kloster zu dienen und der Klostergemeinschaft Freude zu bereiten“, beschreibt Anna Fankhauser, die nun seit Jahren frischen Wind nach Kleinholz bringt. Als Erstes stellte sie auf einem kleinen Altar zwischen Kloster und Kirche eine Karte mit dem kunstvollen Spruch „Seht, ich mache alles neu“ auf, mittlerweile zieren viele ihrer Kunstwerke den spirituellen Ort. „Ich tue das für die Patres und das 100 Jahre alte Kloster. Ich versuche, das Haus der Missionare vom Kostbaren Blut aufzuwerten, es zu verschönern“, sagt die 71-Jährige.
Wenn sie eine Idee hat, macht sie es einfach. Wie ein unsichtbarer Engel sieht sie die Arbeit: Vom Blumengießen, dem Blumenschmuck in der Kirche bis zum Wechsel der Altarwäsche packt die Pensionistin an. „Ich habe Zeit und mir ist ein schöner Altarbereich wichtig. Ich habe einen Blick dafür“, denkt Anna Fankhauser.
Im gesamten Kloster verteilt sie ihre kleinen Kunstwerke aus Papier und Karton. „Verschwindet eine Karte, mache ich sie wieder neu. Ich mache das gerne, weil das etwas bewirkt“, schildert Anna Fankhauser.
Für sie sind es stille Geschenke. „Ich freue mich, wenn jemand eine Karte mitnimmt. Die richtige Person soll sich angesprochen fühlen“, sagt die Thierseerin und ergänzt: „Einmal hat mich während eines Treffens eine Frau angesprochen, wer diese Karten gemacht hat, weil sie gerne eine solche für sich gehabt hätte. Auf meine Antwort, dass sie sich einfach eine aussuchen dürfe, war die Freude unbeschreiblich groß.“
„Ich lese etwas, stoße auf einen Satz und denke mir, diese Botschaft muss zu den Menschen kommen“, beschreibt sie ihre Inspiration. Dann geht es los. Für Bekannte, für einen Ort oder für Menschen in ihrem Umfeld. Manche warten schon auf Post, andere haben bereits eine ganze Schachtel voll mit Anna Fankhausers Werken zuhause. Eine Urlauberin inspirierte diese Kunst sogar zum Entschluss, sich taufen zu lassen.
Wenn die passionierte Bastlerin einen Satz mit Buchstaben gestaltet, wird sie eigenen Worten zufolge „heiler“, sie „wächst“, sie geht ihrer „Sehnsucht nach“. Und: „Die Botschaften machen auch etwas mit den Menschen. Das hält man in den Händen, schaut es an, denkt darüber nach, sieht es wieder und wieder. Es berührt, bringt zum Staunen und zieht die Aufmerksamkeit auf sich“, freut sich Anna Fankhauser.
Für sie ist es eine Art der Verkündigung, ihre Passion, ihr Charisma. „Ich bin ein Kanal für Gottes Kreativität. Damit kann ich Licht in die Welt bringen. Es ist meine Bestimmung und kein Zufall, dass ich das so gerne mache“, ist Anna Fankhauser überzeugt: „Dabei wächst auch mein Glaube.“
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