Rupertusblatt: In der Salzburger Stadtpfarre St. Severin heißt es an jedem letzten Sonntag im Monat „God & Coffee“. Was sind die Kernelemente dieses Angebots?
Ubbo Goudschaal: Der Titel sagt es schon. Es geht um religiöse Fragen, die das Leben betreffen, und es geht um Begegnungen – ausgedrückt durch den Kaffee, der ja in der Regel mit einem Gespräch verbunden ist. Es ist quasi ein dreiteiliges Eventprogramm am Sonntagvormittag: ein Frühstück als Begegnungsraum vor dem Gottesdienst, der etwas anders ablaufende Gottesdienst selbst und danach das gemeinsame Mittagessen, wo man noch einmal ins Gespräch kommen kann – nicht nur über Religiöses, sondern über ganz menschliche, alltägliche Dinge.
RB: Was ist am dazugehörigen Gottesdienst das Besondere?
Goudschaal: Da fahren wir eine etwas andere Kultur. Der Gottesdienst ist musikalisch ein bisschen poppig, rockig unterwegs. Er spricht die Menschen mit ihren konkreten Lebensthemen an, sehr direkt, aber mit viel Humor: Identität, Selbstzweifel, wie will ich mit Menschen umgehen, wie will ich meine Beziehungen führen, welche Masken trage ich, welche Visionen will ich im Leben haben? Besonderheit des Formats ist auch eine Zeit der „angeleiteten“ Stille. Das sind zirka fünf Minuten. Die Leute beten oder gehen einfach nur in sich. Sie können das, was sie gehört haben, noch einmal in Ruhe auf sich wirken lassen und es dadurch verstärkt mitnehmen. Viele erzählen mir, dass gerade in dieser Zeit der Stille etwas mit ihnen passiert.
Es geht ganz viel um Selbstfindung, um ein Suchen und Fragen.
RB: Warum ist das alles so wichtig für die Menschen?
Goudschaal: Sie brauchen nur auf den Flohmarkt zu gehen und sich die Bücher anzuschauen.Was lesen die Leute denn zu Hause? Da geht es ganz viel um Selbstfindung, um ein Suchen und Fragen. Auch im Gespräch merkt man, wie vielen Menschen es darum geht, ihr Inneres zu erforschen, mit sich im Reinen zu sein, mit sich klarzukommen, ihre Freiheit zu finden. Fragen der Identität, zum Beispiel bei jungen Familienvätern: Jetzt bin ich Papa, habe viele Hobbys aufgegeben, aber wer bin ich eigentlich?
RB: Was beobachten Sie bei „God & Coffee“ abseits des Gottesdienstes?
Goudschaal: Dass beim Mittagessen dann noch oft über die Themen weitergeredet wird. Die Menschen sind dauernd in Begegnungen. Es ist immer „Beziehung“, was wir erleben – sowie eine enorme Ehrlichkeit und Direktheit, statt um Themen drumherum zu reden. Das ist mir total wichtig. Wir reden nicht so gern über unseren Glauben und verharren viel zu viel in dieser religiösen Unmündigkeit. Da kann man sehr direkt andocken und den Menschen sagen: „Ich sehe etwas in dir – dieses Talent oder jene Gabe. Wir probieren das jetzt aus, sonst wirst du nie wissen, ob es in dir steckt.“ Das macht den Leuten Mut.
RB: Gibt es für diese „Mut-Injektion“ auch konkrete Beispiele?
Goudschaal: Ich denke da etwa an eine 85-Jährige, die ihr Leben lang Hausfrau war und nie vor einer größeren Menschenmenge gesprochen hat. Wir haben sie ermuntert und neulich hat sie den Gottesdienst moderiert. Sie hat super vor den Leuten gesprochen. Das ist ein Erlebnis, das ihr niemand nehmen kann.
RB: Sind die Menschen zu mutlos?
Goudschaal: Der Selbstzweifel sitzt in unserer Gesellschaft tief. Jüngere probieren sich schon eher aus, aber die Generation 50+ tut sich damit ganz schwer. Es geht mir darum, dass es eine Grundhaltung wird, mutig zu sein – nicht nur hier bei uns, sondern auch danach im Alltag. Dass die Menschen mitnehmen: das kann zu Hause, bei der Arbeit, in der Beziehung funktionieren. Mir selbst ist es in der Pfarre nicht anders ergangen. Als ich meine ersten Projekte ausprobiert hatte, sagte der damals 75-jährige PGR-Obmann zu mir: „Ich weiß nicht, was du dauernd mit deinen Selbstzweifeln hast? Was du tust, spricht die Leute an. Mach dein Ding.“
RB: Was machen Erlebnisse wie jenes mit der 85-jährigen Dame innerlich mit Ihnen?
Goudschaal: ...dass ich das Gefühl habe, ich kann wirklich etwas bewegen in dieser Welt.
...mehr unter www.eds.at/mut