In der Werbung präsentiert sich unser moderner Freiheitsbegriff wie folgt: raus aus dem „täglichen Hamsterrad“ von Arbeit, Schule, von außen festgelegten Terminen – hinein in das „echte Leben“, das gerade gebraucht wird, um Abstand zu gewinnen, Kraft zu tanken und sich zu erholen. Ausflugsziele, Erlebnisreisen, Spaß und Entspannung in verschiedenen Formen stehen zur Verfügung. Das Angebot ist beinahe unüberschaubar.
Freiheit ist ein zentraler philosophischer Grundbegriff, der schon seit Jahrtausenden die Menschen bewegt. Die Freiheit, über seinen Körper, seine Arbeitskraft, seine Zeit und Entscheidungsmacht zu verfügen, war nicht zu jeder Zeit für alle Menschen gleich gegeben. Um eine Gesellschaft aufrecht zu erhalten, legte sie sich Normen und Regeln auf, die die Freiheit des Einzelnen begrenzen, um eine Freiheit für alle in einem gewissen Rahmen zu ermöglichen.
Die antike Hafenstadt Korinth war ein Ort der Begegnung für Menschen aus mehreren Kulturen. Dies führte dazu, dass die Gesellschaft offen für unterschiedliche Denkweisen und Einstellungen war. Die junge christliche Gemeinde im quirligen Korinth musste sich mit unterschiedlichen Themen auseinander setzen und ihre eigene Position im gesellschaftlichen Gefüge finden. Der Umgang mit Freiheit war für die Christinnen und Christen eine Herausforderung, an die Paulus sie immer wieder erinnerte: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit.“ (Gal 5,1).
Gott nimmt im Menschen Wohnung. Der Leib ist Ort
der Beziehung und Kommunikation mit Christus.
So lebte eine Gruppe in Korinth mit der Maxime „Alles ist mir erlaubt!“, was für einige Gemeindemitglieder durchaus verführerisch klang. Der Einzelne darf alles, was er möchte – eine paradiesische Vorstellung!
Die Gruppe maß dem Körper nicht viel Gewicht zu – es war unwichtig, was man aß oder mit wem man eine sehr nahe Beziehung einging. Paulus konnte dieser Freiheit des Einzelnen nicht vollständig zustimmen, da die Erlebnisse und Erfahrungen, die der Mensch mit seinem Körper – seinem Leib – macht, untrennbar mit seiner Person verbunden sind. Der Mensch ist Leib und das ist existenziell für eine Christin oder einen Christen. Energisch appellierte Paulus an die freiheitsliebenden Korinther:innen, mit ihrem Körper achtsam umzugehen, denn dieser ist seit der Auferstehung Jesu Eigentum Gottes.
In der leiblichen Erfahrung spüren Menschen: Der Leib gehört Gott. „Wisst ihr nicht, dass eurer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt und den ihr von Gott habt?“ (1 Kor 6,19)
Gott nimmt im Menschen Wohnung – in seiner Ganzheit und Körperlichkeit kann dieser das Wirken des Geistes erfahren. Dies ist Verantwortung und Aufgabe. Die Verantwortung besteht darin, dass der Mensch auf seinen Körper hört, ihn als Teil seiner selbst wahrnimmt und zugleich Gott darin wirken lässt. Der Leib ist nicht der Ort, wo der Mensch frei über sich verfügt, sondern wo über ihn verfügt wird. Der Leib gehört nicht dem Menschen, er ist Wohnort des Geistes. Der Geist ist kein „Untermieter“, sondern außen und innen gehören dem Geist. Die Stätte seiner Präsenz soll nicht profaniert werden durch unangemessenen Umgang mit dem Leib. Das betrifft essen und trinken sowie die Sexualität. Eine leibliche Einheit mit einer anderen Person zu werden, ist damit für Paulus selbst ausgeschlossen.
Paulus fordert dazu auf, der Freiheit im Alltag Raum zu geben,
achtsam mit dem eigenen Körper umzugehen.
Gott beansprucht den Leib des Menschen schon im irdischen Leben für sich, seine Macht wird hier und jetzt wirksam im „Leib Gottes“. Der Mensch, der unachtsam mit seinem Körper umgeht – Paulus’ Beispiel ist die Sexualität – zerbricht die Kommunikation mit Gott. Man existiert in seinem Leib nicht für sich, sondern er ist Ort der Beziehung und Kommunikation mit Christus.
Das Leben in einer Freiheit, wie sie uns von der Werbung präsentiert wird, trennt die Freiheit vom Alltag. Was mir nützt, sind Pausen, Alltagsunterbrechungen. „Die kürzeste Definition von Religion ist Unterbrechung“, schrieb der Theologe Johann Baptist Metz. Pausen, um mich wieder in den göttlichen Rhythmus der Ruhe (vgl. Gen 2,2 f.) einzuhängen, einfach nur da sein zu dürfen und nichts leisten zu müssen. Damit treffen sich das biblische Menschenbild und der moderne Freiheitsbegriff in der Unterbrechung des Alltags. Inwiefern kommt die Freiheit Gottes in meinem Alltag zum Tragen?
Paulus fordert dazu auf, der Freiheit im Alltag Raum zu geben, achtsam mit dem eigenen Körper umzugehen und sich bewusst zu machen: Mein Körper, mein Leib ist etwas Wertvolles. In ihm nimmt der Geist Gottes Wohnung in mir und wirkt durch mich. „Denn ihr seid zur Freiheit berufen, Brüder und Schwestern. Nur nehmt die Freiheit nicht zum Vorwand für das Fleisch, sondern dient einander in Liebe!“ (Gal 5,13)
Bibelwoche: „Alles ist mir erlaubt“
Vom 20. bis 28. Jänner 2024 findet zum zweiten Mal eine österreichweite Bibelwoche rund um den Sonntag des Wortes Gottes statt. Den offiziellen Auftakt der Bibelwoche bildet die Online-Bibel-Nacht am 20. Jänner von 16.30 Uhr bis 22 Uhr. Das Thema ist der 1. Korintherbrief, er hat auch die anderen vielseitigen und interaktiven Programmpunkte der Online-Nacht inspiriert. Inwiefern der Satz „Alles ist mir erlaubt“ (1 Kor 10,23) gilt und wo die Grenzen sind, wird in den Beiträgen aus allen österreichischen Diözesen beleuchtet. Das Programm gibt es auf bibelwerk.at/bibelwoche.
Die Erzdiözese Salzburg hat eine Ökumenische Bibelwoche im deutsch-österreichischen Grenzgebiet ins Leben gerufen, die die Menschen auf beiden Seiten der Salzach mit einem breiten Programm (bibelwelt.at/oekumenische-bibelwoche-2024) verbindet.