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Ein Hochfest inmitten des Advents. In einer Zeit, wenn die Nebel sich in unseren Tälern niederlegen, die Natur sich zurückzieht und die Bäume ihre Blätter schon verloren haben; da blüht eine Rose auf.
Advent ist eigentlich Fastenzeit; im sonntäglichen Gottesdienst wird auf das Gloria – den Lobpreis auf Gottes Herrlichkeit – verzichtet. Die feiernde Gemeinde nimmt sich zurück; die liturgische Farbe ist violett. All das wird durchbrochen mit dem Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria. Die Goldene Rose, so wird Maria in der lauretanischen Litanei genannt. Gott offenbart sich in seiner Menschenfreundlichkeit; Emmanuel – der Gott mit uns!
Der heilige Franziskus hat diese Tiefendimension erspürt, er ruft seinen Brüdern zu: „Seht die Demut Gottes!“
Was hat sich da in jenem abgelegenen Ort namens Nazareth ereignet, von dem es im Evangelium heißt, es könne von dort her nichts Gutes kommen? Was ist jenem Mädchen aus Nazareth, schon verlobt, das heißt, in einem voll gültigen Ehevertrag stehend, geschehen?
Wir haben – wir müssen es uns eingestehen – das Sensorium für das Wesentliche des Glaubens weithin verloren. Wir wollen feststellen, wollen Erkenntnis für unseren Nutzen ausschlachten. Kurz: Wir haben die Demut verloren!
Der selige Johannes Duns Scotus, einer der größten Metaphysiker, die jemals in Oxford gelehrt haben, hat das Geheimnis der unbefleckten Empfängnis Mariens ohne es zu lüften Gläubigen zugängig gemacht.
Gott – so seine Deutung – hat in Maria ein kleines Stückchen Paradies bewahrt, wohinein er sein Wort von der Menschwerdung so sprechen konnte, wie er es wollte und nicht wie er es musste. Der große Theologe Karl Rahner hat dasselbe mit anderen Worten gesagt: „Gott spricht und wir denken und nicht umgekehrt, nämlich dass wir denken und Gott hat zu sprechen.“ In Nazareth hat Gott gesprochen, seinen Namen „Gott mit uns“ leibhaft geoffenbart.
Schwestern und Brüder, wir leben nicht nur zeitlich im Advent, wir erleben das Nazareth von damals heute. Die biblische Frage „Kann von dort etwas Gutes kommen?“ wird auch unserer Zeit gestellt. Ein bedeutsamer Theologe hatte dies jüngst so ausgedrückt: „Ich habe nicht so sehr Angst vor der Unglaubwürdigkeit der Kirche, sondern vielmehr, dass das Evangelium für die Menschen heute die Glaubwürdigkeit verloren hat.“
Advent ist Zeit der Besinnung. Besinnen wir uns auf unseren Ursprung. Die Juden, unsere älteren Brüder und Schwestern, die Wurzel des Glaubens, waren zu allen Zeiten auf der Suche nach etwas, das den Sündenfall überlebt hat und nicht beschädigt wurde. Gleichsam ein Mitbringsel aus dem Paradies. Maria steht für dieses kleine Stückchen Paradies.
Die Frage stellt sich nun uns. Was hat seit der Taufe an heiligem Rest in uns durchgehalten? In mir?
Ich glaube, es ist die Sehnsucht. Die Sehnsucht nach dem menschenfreundlichen Gott, der die Nähe zu den Menschen gerade dort sucht, wo wir es nicht erwarten. Dessen Freude es bleibend ist, bei den Menschen zu sein. Amen!
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