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Liebe Schwestern und Brüder!
Meine Mutter war erst elf Jahre alt, als ihre Mutter starb. Als ich etwa im selben Alter war, erzählte sie mir erstmals davon. Anlass waren meine bohrenden Fragen nach dem Warum und Wieso des Lebens. Offensichtlich war ich mit den gegebenen Antworten nicht zufrieden. Ich merkte, wie meine Mutter ihre Arbeit plötzlich unterbrach, sich aufrichtete und mir sehr ernst ihr Kindheitsschicksal zu Gehör brachte: „Als ich so alt war wie du…“ – da schickte meine Großmutter die Kinder frühmorgens am Karsamstag zur Kirche. Man schrieb das Jahr 1932. Damals wurde ja die Auferstehung unseres Herrn Jesu Christi nicht in der Osternacht gefeiert, sondern am Karsamstag in der Früh. Meine Großmutter war hochschwanger; sie gab den Kindern mit auf den Weg, sie mögen auf die weißen Kleider aufpassen und für mich beten. Meine Mutter spürte: Es lag etwas in der Luft. Sie drehte sich immer wieder um und sah, wie die Mutter ihnen sehr lange nachschaute. Der Weg in die Kirche war weit, das Hochamt lang, und als sie gegen Mittag nach Hause kamen, da war die Mutter tot. Sie war bei der Geburt ihres fünften Kindes, meiner Tante, gestorben. Welche Katastrophe! Von der Feier der Auferstehung heimkommen, und zu Hause wartet der Tod. Bis auf den heutigen Tag betrifft mich dieses Ereignis zutiefst.
Viele Jahre später saß ich mit meiner Mutter auf einer Bank vor dem Elternhaus. Sie war schon sehr alt geworden, sie fühlte den Tod nahen, ich war inzwischen Weihbischof von Graz-Seckau. Wir schwiegen, es gab nicht viel zu reden. Da kam mir dieses schwere Ereignis aus ihrer Kindheit in den Sinn. Ohne viel darüber nachzudenken begann ich zu reden: „Mutter, dieses Heimkommen, als ihr von der Auferstehungsfeier nach Hause gekommen seid und die Mutter tot war… Das wahre Heimkommen steht bei dir noch aus. Wenn du stirbst, wird deine Mutter dich empfangen.“
Ihre Antwort war eine Frage: „Glaubst du das?“ Ihre Stimme hatte einen ganz eigenen Klang, ich höre ihn heute noch; ich erinnere mich auch an meine prompte Antwort: „Ja, ich glaube das!“ Da verspürte ich sofort fast ein Unbehagen, und so ergänzte ich: „Die Kirche glaubt das!“
Diese große Wahrheit über den Tod hinaus, die ist der Gemeinschaft der Glaubenden, der ganzen Kirche anvertraut.
An die Auferstehung glauben geht nicht allein; das sei allen gesagt, die meinen, „ihren“ Glauben zu haben. Diese große Wahrheit über den Tod hinaus, die ist der Gemeinschaft der Glaubenden, der ganzen Kirche anvertraut. Denn nur in ihr kann die Erinnerung an das, was einst unwiederholbar an einem Grab gesagt worden ist, bis in unsere Zeit und durch alle Zeiten wach und gegenwärtig gehalten werden: „Er, der tot war, lebt, er ist nicht hier. Er ist euch vorausgegangen.“ Zu ihm werden wir dereinst heimkehren. Ich glaube das, die Kirche glaubt es, gestern und in Ewigkeit.
In der Freude über dieses endgültige Heimkehren, über die Auferstehung unseres Herrn, der den Tod besiegt hat, wünsche ich allen von Herzen gesegnete Ostern! Surrexit Dominus vere, alleluia!
Euer
+ Franz Lackner
Erzbischof
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