Salzburg. Mond- und Sonnenfeste rituell feiern, magische Rituale abhalten, Naturwesen und -götter verehren – all das ist wieder modern und gefragt. Heidentum und Hexenrituale sind nicht nur in „Covens“ (Hexenzirkeln) und Szenegruppen präsent, sondern begegnen uns genauso in Esoterik und Wellness, Museumspädagogik, mittelalterlichen Re-Inszenierungen, aber auch in Fernsehserien und – natürlich – auf TikTok.
Die Wissenschaft fasst diese Trends unter dem Stichwort Neopaganismus (Neuheidentum) zusammen. Obwohl es sich um eine sehr breit gefächerte, vielfältige Szene handelt, lassen sich einige Grundlinien beschreiben: Heiden und Hexen sind meist nur in kleinen, losen Gruppen organisiert, sind teilweise auch nur über virtuelle Netzwerke (zum Beispiel „Witch-Tok“) verbunden. Verbindliche Strukturen oder eine ausdrückliche Glaubenslehre sind nicht notwendig, sogar eher verpönt. Vielmehr geht es um Selbstermächtigung und Selbstverwirklichung, um Befreiung aus der Entfremdung durch die „moderne“ Welt, um Naturverbundenheit und Ursprünglichkeit.
Sie sehen ihre Religion als die eigentliche und ursprüngliche, die da war, bevor sie vom Christentum verdrängt wurde.
Die meisten Heiden und Hexen sehen ihre Religion als die eigentliche und ursprüngliche, die da war, bevor sie vom Christentum verdrängt wurde. Dementsprechend sind sie meistens sehr kirchenkritisch oder auch kirchenfeindlich. Dabei muss man beachten, dass es praktisch keine authentischen Überlieferungen alter Religionen in Europa gibt. Kelten und Germanen hatten keine schriftlichen Aufzeichnungen, außerdem haben die Römer die „heidnische“ Kultur gründlich ausradiert. Heute gibt es also nur noch steinerne Monumente, die da und dort in der Landschaft zu finden sind.
Auch alte Beschreibungen der heidnischen Bräuche und Rituale sind bereits aus christlicher Perspektive verfasst. Ob manche Traditionen im Volksglauben und in bäuerlichen Bräuchen wirklich auf die frühere heidnische Kultur zurückgehen, ist nicht feststellbar. Die heutigen Heiden und Hexen bauen daher ihre Rituale zwangsläufig auf Neuerfindungen und Rückprojektionen auf.
In der Naturverbundenheit und in Gruppengemeinschaft des Neopaganismus kann man positive Ansätze einer persönlichen, religiösen Lebensgestaltung sehen und daher auch Heiden und Hexen im Sinne der religiösen Toleranz respektieren und wertschätzen. Problematisch ist die Tendenz der Szene zu politisch rechten, bisweilen auch rechtsradikalen und islamfeindlichen Haltungen, ebenso die anarchische Struktur, die Ausbeutung und Missbrauch Tür und Tor öffnet.
Autor Meinrad Föger ist Pastoralassistent und Fachberater für Weltanschauungsfragen in der Erzdiözese Salzburg.
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