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„Jesus ist gestorben, um uns das Leben zu geben. Alle Geschöpfe sind von Schmerz erfüllt: Die Sonne verfinstert sich, die Erde bebt, die Felsen zerspringen und der Vorhang des Tempels zerreißt. Soll allein unser Herz noch härter sein als ein Felsblock?“ (Aus einem Brief des hl. Paul vom Kreuz, Gründer der Passionisten).
Es sind für mich wohl die erschütterndsten Worte, die jemals berichtet wurden. Jesus, die fleischgewordene Liebe Gottes, der gekommen ist, um zu retten, der jeden aufrichtet, der von der Last der Sünde und des Lebens geknickt und gebeugt ist, Jesus, in dem wir sehen, wie Gott ist und wie wir Menschen sein können… der Sohn Gottes wird gekreuzigt.
Er nimmt diesen Weg unter Bluts-tränen an, vergibt selbst denen, deren Hand gerade noch mit schwerem Hammer die Nägel durch sein Fleisch trieben und dann diese Worte: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen!“ (Mt 27,46) Selbst die größte denkbare Not hat er für uns getragen: die Gottverlassenheit. Selbst diese Finsternis ist nun nicht mehr fins-ter, denn ER hat sie erhellt, indem er sich hineinlegte.
Jesus ist, könnte man sagen, das Herz Gottes, das sich in unsere Hände legt. „Ich schenke dir mein Herz – passe darauf auf“, so sagen es Liebende oft, wenn auch meist ohne Worte. Aber was haben wir damit gemacht? Wir haben die Liebe Gottes gekreuzigt. Jesus neigt das Haupt und stirbt. „Da riss der Vorhang im Tempel von oben bis unten entzwei. Die Erde bebte, und die Felsen spalteten sich.“ (Mt 27,51) Was Menschen nicht erkennen, spiegelt die Natur wider. Es ist die große Zäsur der Geschichte, es ist der Moment der Entscheidung. Es gibt ein Vorher und ein Nachher. Der Tod ist nun tödlich verwundet (Benedikt XVI.), der Himmel wurde geöffnet. Die Erde, die Steine, die sich verdunkelnde Sonne haben es gezeigt. Doch wie ist es mit uns Menschen, die wir doch nur wenig geringer als Gott gemacht wurden? (Ps 8,6) Ist unser Herz noch härter als der Felsblock? Ist es, wie Jesus im Gleichnis vom armen Lazarus sagte, „werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn einer von den Toten aufersteht“? (Lk 16,31)
Millionen haben ihr Leben seither („mit ihm, durch ihn und in ihm“) unserem Heiland, dem Auferstandenen Messias Jesus von Nazareth gelebt. Noch viel mehr blieben von ihm unberührt. Viele Mystiker, etwa auch der Gründer meines Ordens, der heilige Franziskus, erkannten klar: Die ganze Schöpfung ist ein Lobpreis auf Gott. Doch der Mensch allein muss sich entscheiden, ob er Gott lobt oder nicht. So ist das Herz des Menschen härter als Fels, aber wenn es aufbricht und glaubt, dann „wird sich zeigen, dass er (der Glaube) wertvoller ist als Gold, das im Feuer geprüft wurde und doch vergänglich ist.“ (1 Pet 1,7)
Es ist ein unglaubliches Geschenk, Menschen zu kennen, deren Herzen durch den Glauben geöffnet wurden und so die in ihrem Inneren verborgenen Schätze in die Welt tragen. Sie sind wahrlich das Licht der Welt, die Stadt auf dem Berg (Mt 5,24) Die Liebe Gottes ist wie der Hammer eines Bergmanns, der aus dem Inneren des härtesten Steins die größten Schätze hervorholt.
Und doch leben wir nun in dem bedrückenden Gefühl, es könnte eine Zeit kommen, in der in ganzen Stadtteilen, Ortschaften, ja Landstrichen das Lob Gottes verstummen könnte. Was, wenn wir zu schweigen beginnen? „Wenn sie schweigen, werden die Steine schreien.“ (Lk 19,40)
Dieses Wort hat Jesus am heurigen Palmsonntag beim Einzug in Jerusalem gesprochen. Es kann uns trösten und vergewissern: Der Lobpreis Gottes kann gar nicht verstummen, denn die ganze Welt, die ganze Schöpfung ist ein einziger großer Lobpreis auf den Schöpfer, unseren Herrn und Gott. So werden an manchen Orten Einzelne dafür leben, dass „die Lampe Gottes“ nicht erlischt (1 Sam 3,3). An anderen wird es die verborgene und doch so offenbare und starke Gegenwart Gottes in der Natur sein, die an unserer statt die Stellung des Glaubens hält, auf das wann, wie und wo ER will, der Glaube neu aufkeimt.
Möge uns dieses Ostern stärken für den Weg, der vor uns liegt. Mögen die im vergangenen Jahr verstorbenen Erzbischof Alois und Weihbischof Andreas gute Fürsprecher dazu im Himmel sein. Möge die Osterfreude in unser aller Herz aufbrechen und die Welt erfüllen und erhellen, denn:
Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaft auferstanden! Halleluja!
Euer
+ Franz Lackner
Erzbischof
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