RB: Sie öffnen heuer für die Leserinnen und Leser der Kirchenzeitungen Ihre Kräuterschatztruhe. Die Fastenserie trägt den Titel „Was Leib und Seele gut tut“. Weshalb gehören Leib und Seele für Sie zusammen?
P. Johannes Pausch: Mir ist es ein Anliegen, diese Einheit zu betonen. Die Heilkräuter sind genuine Helfer für beide Ebenen. Deshalb braucht es unbedingt dieses Zusammenspiel. Das Fasten ist schließlich ein klassisches Zusammenwirken von Leib und Seele, von Geist und Materie. Das gehört unbedingt zusammen.
RB: In einem Ihrer Bücher schreiben Sie: Die Seele macht den Menschen lebendig. Wer aus dem Gleichgewicht geraten ist, muss ihr mehr Raum geben. Die Krisen unserer Zeit bedeuten für viele Leute eine enorme Belastung. Wie können wir in Balance bleiben?
P. Johannes Pausch: Der sicherste (Fasten)-Tipp, um in Balance zu kommen: Reduktion ist die Voraussetzung für Gewinn. Das gilt auf allen Ebenen. Beim Fasten geht es um Reduktion im Essen, im Denken und im Leben. Die Reduktion bringt uns wieder mehr in die Mitte. Und immer wenn wir reduzieren, gewinnen wir etwas. Beim heiligen Benedikt gibt es einen schönen Satz im Fastenkapitel: Die Laster mäßigen. Das heißt, wir sollen alles was uns belastet, mäßigen – ein gutes Maß finden. Das geht in den allermeis-ten Fällen über die Reduktion. Wir sollten aber Fasten nicht mit hungern verwechseln.
RB: Fasten ist mehr als eine Schlankheitskur haben Sie einmal treffend gesagt.
P. Johannes Pausch: Es soll vor allem eine sinnvolle Reduktion sein. Häufig verstehen Menschen das nicht mehr so richtig. Es muss für sie immer mehr und nicht weniger sein. Wenngleich uns heute die Umwelt- und Klimaschützer vermitteln, Reduktion wäre das angesagteste Verhalten. Das gilt für Äußerlichkeiten und für die Psyche. Wobei Letzteres viel schwieriger ist. Traurigkeit, Niedergeschlagenheit, Wut und Zorn reduzieren – wie soll das gehen? Hier gilt ebenso die Faustregel sich zu mäßigen. Wir schaffen es nicht alles zu beseitigen was an uns hängt.
Die heilige Hildegard von Bingen sagt übrigens, dass für fast alle Krankheiten und Belastungen das Fasten eine Hilfe ist. Nur der Stolze kann nicht fasten. Er würde seine Fastenergebnisse wie eine Gewichtstabelle vor sich her tragen. Stolz verhindert die Heilung und jede Kommunikation.
RB: Kommen wir zurück zu den Heilkräutern. Sie haben da einen ganz speziellen Ansatz. Sie betonen, dass sich ihre Wirkkraft erst dann entfaltet, wenn wir das ganze Wesen der Heilpflanze und nicht nur einen einzelnen Wirkstoff erkennen. Dazu gehören auch Bilder und Geschichten.
P. Johannes Pausch: Das ist plausibel. Wenn Sie einem Kind ein Märchen erzählen, ist das heilsam. Es passiert etwas im Inneren. Wenn Sie beim Arzt sind, ist es genau das Gleiche. Wenn Sie hingehen und er gibt Ihnen nur ein Rezept, kann es schon helfen. Wichtig ist genauso, dass der Arzt sagt: Frau Maier, ich weiß, es ist jetzt schwierig. Er berichtet von einer anderen Patientin, der die Behandlung schon geholfen hat. Er erzählt eine Geschichte und die heilt. Das heißt nicht, dass ich Medikamente ablehne. Aber, wir brauchen auch diese Heilungsgeschichten.
Wir sind da auf einem gutem biblischen Grund. Es heißt im Evangelium von Jesus, er redete zu ihnen in Gleichnissen.
Jede Pflanze ist ein Zeichen Gottes – seiner Liebe und Achtsamkeit für uns Menschen.
RB: Wie sind Sie dazu gekommen, sich so intensiv mit Kräutern zu beschäftigen?
P. Johannes Pausch: Das kommt aus meiner Kindheit. Ich habe mit sieben Jahren von meinem Heimatpfarrer ein dickes, leeres Schulheft geschenkt bekommen. Das war damals ein großes Geschenk. Er hat mich gelehrt, ein Herbarium anzulegen. Ich konnte gerade schreiben und habe das mit Leidenschaft gemacht.
So hat es begonnen. Dieser gescheite Mann, ein Pfarrer-Kneipp-Typ, war nicht nur ein Seel- sondern auch ein Leibsorger. Wenn wir Buben uns bei einem Sturz mit dem Rad die Knie aufgeschürft haben, sind wir nicht nach Hause. Wir sind zum Pfarrer. Er hat Honig auf die Wunde gegeben. Das wirkte antiseptisch und desinfizierend. Es gab keine Entzündung. Ich habe ihn später gefragt: Ist das nur der Honig? Da hat er mir in seinem Garten die Bienenstöcke gezeigt, die von der Angelikawurz umgeben waren. Die Bienen haben aus den Blüten die kostbarsten Wirkstoffe rausgeholt. Diesen Angelikahonig hat er uns auf die Wunden getan. Solche Geschichten gibt es unzählige und sie alle haben zu meiner Leidenschaft für die Pflanzen beigetragen.
Die Leidenschaft hat mich nicht mehr losgelassen, sie ist geblieben, wenngleich nicht immer gleichmäßig stark. Während des Studiums war für die Heilpflanzen nicht mehr viel Platz. Das änderte sich wieder bei meiner Ausbildung zum Psychotherapeuten.
Als wir dann Kloster Gut Aich gegründet haben, mussten wir von etwas leben. Und was gibt es hier in diesem kleinen Seitental in St. Gilgen? Heilpflanzen, jede Menge, von oben in 2.000 Meter Höhe bis runter auf 600 Meter. Wir haben begonnen, daraus etwas zu machen.
RB: Haben Sie eigentlich eine Lieblingspflanze?
P. Johannes Pausch: Ich vergebe nicht gerne Noten für meine Sympathien. Doch das Gänseblümchen ist schon ein Favorit. Wobei jede Pflanze ein Zeichen Gottes ist, seiner Liebe und Achtsamkeit für uns Menschen. Wenn wir das begreifen, müssten wir eigentlich vor Freude überschwappen.
RB: Der ägyptische Mönchsvater Pachomius sagt: „Wenn du Gott erfahren willst, musst du in den Garten gehen.“ Was bedeutet Ihnen die Natur?
P. Johannes Pausch: Gehe in die Natur hinein, in die Vielfalt und nimm sie auf. Das wird dir gut tun und eine Fülle von Kraft geben. Davon bin ich überzeugt. In Japan bekommt man Waldspaziergänge auf Krankenschein verschrieben. Die Pflanzen- oder Klosterheilkunde hängt immer mit einer unmittelbaren Erfahrung zusammen. Ich muss es ausprobieren. Ich muss es mit all meinen Sinnen spüren: sehen, riechen, tasten, schmecken. Da möchte ich die Menschen hinführen. Das ist sehr individuell. Das ist keine Massenerfahrung.
Wir laden auf Gut Aich regelmäßig Kinder und ihre Omas ein. Das ist ein gutes Gespann. Sie verbringen einen Nachmittag im Klostergarten. So fängt das Begreifen an, nicht nur mit dem Hirn, sondern mit den Händen. Da beginnt die Beziehung zu den Heilpflanzen. Und Beziehung heilt.
Beziehung ist die Grundlage und der Anfang des Lebens und aller Heilung.
Meine Nachbarin ist 104 Jahre alt geworden. Ich habe sie einmal gefragt: Was ist dein Geheimnis? Sie meinte: Ich hab jeden Tag einen Tee aus meinen Gartenkräutern getrunken. Welchen, fragte ich? Das ist eigentlich wurscht, meinte sie, gesund muss er halt sein. Ich weiß nicht, ob sie deswegen so alt wurde. Aber sie hatte eine Beziehung zu ihren Pflanzen und sie haben ihr geholfen. Darum geht es mir. Dass Menschen wieder Beziehungen aufbauen. Wenn Menschen Beziehung zu Pflanzen aufbauen, dann bauen sie Beziehung zu sich selber, zu anderen und zu Gott auf.
RB: Sie haben sich als Prior zurückgezogen und gesagt, Sie möchten mehr Einsiedler sein. Gelingt das?
P. Johannes Pausch: Es ist eine Wohltat, dass ich nicht mehr die Gesamtverantwortung mit allen Wirtschaftsbetrieben habe. Und der Einsiedler ist ja nicht alleine. Ich wohne nicht direkt im Kloster, etwas daneben. Da ist ein Garten mit einer Hütte. Ich nenne es das Seniorenfreizeitzentrum von Winkl. Manchmal gehe ich zu den Menschen und bringe eine Jause mit. Dann reden wir über Gott und die Welt. Allein wenn ich die Stimmen vom Fenster aus höre, denke ich mir: Das ist gut. Es gehört zum Zuhause sein. Über den heiligen Benedikt wird gesagt: Er wohnte ganz bei sich selbst im Angesicht Gottes. Das wäre ein Ziel, auch in dieser Fastenzeit.
RB: Wie sieht Ihre persönliche Fastenzeit aus?
P. Johannes Pausch: Da ich mobil eingeschränkt bin (Anm.: nach einem Unfall), werden diese Wochen durch Bewegungsfasten auf der einen und Physiotherapie auf der anderen Seite geprägt sein. Allgemein halte ich mich an das Wort eines alten Mitbruders: Keinen Unfug übertreiben. Ich bin ja nicht so ein frommer Mensch. Doch für diese Fastenzeit habe ich mir noch etwas vorgenommen: Ich werde für alle, die meine Impulse lesen, beten. Und: Ärger Fasten! Freude tranken!
◆ Nach Aschermittwoch führt Sie ab 26. Februar die siebenteilige Serie „Was Leib und Seele gut tut“ durch die Fastenzeit. P. Johannes Pausch öffnet jede Woche seine Schatztruhe voller Heilpflanzen und -kräuter. Für den Benediktinermönch sind sie wunderbare und vor allem heilsame Begleiter durch die Fastenzeit.
◆ Der Autor Pater Dr. Johannes Pausch OSB ist Jahrgang 1949. Der in der Oberpfalz Geborene gründete 1993 mit einigen Mitbrüdern das Europaklos-ter Gut Aich und wirkte bis vor kurzem auch als Prior. P. Johannes gilt als Experte in der Kräuterheilkunde und ist für sein Wissen über Klosterheilkunde bekannt. Er ist zudem psychotherapeutischer Leiter des Hildegardzentrums im Europakloster, erfolgreicher Autor und gefragter Seminarleiter. 2009 wurde der gebürtige Bayer mit der Medaille für Verdienste um Bayern in einem gemeinsamen Europa ausgezeichnet.
◆ Fasten-Abo: Bestellen oder verschenken Sie das Rupertusblatt in der Fastenzeit (sieben Wochen) für nur acht Euro. Sie erhalten Fastenimpulse von P. Johannes Pausch und Erzbischof Franz Lackner. Jetzt bestellen: 0662/8047-2030 oder rupertusblatt@eds.at
◆ Radio-Tipp: Gespräch zum Aschermittwoch mit Pater Jo-hannes Pausch über Heil-kräuter für die Fastenzeit. Eine Sendung von Stefanie Jeller. Mittwoch, 22. Februar, 17.30 – 17.55 Uhr, radio klassik Stephansdom. Österreichweit im Digitalradio (DAB+) oder via Livestream www.radioklassik.at.
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