Es gibt „christliche Ostern“ und es gibt „weltliche Ostern“, sagt die Wiener Ethnologin Helga Maria Wolf. Sie beobachtet, dass der ursprüngliche Sinn des zentralen Festes der Christenheit in einer säkularisierten, von Kommerzialisierung und Freizeitkultur geprägten Gesellschaft zunehmend aus dem Blick gerät.
Den Blick für Ostern freihalten bedeutet, den Glauben an eine innerliche Sehnsucht zuzulassen. Die Sehnsucht nach Leben, Liebe und Zukunft. Ostern ist ein Fest, das sich gegen den Zynismus, einen pragmatischen Realismus und einen abgeklärten „Ich-habe-schon-alles-gesehen-Glauben“ stellt.
Jesus Christus ist entgegen allen logischen und naturwissenschaftlichen Annahmen tatsächlich von den Toten auferstanden. Wer Ostern feiert, der hält es mit David Ben Gurion, dem Staatsgründer von Israel. „Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist.“ Trotz all der Umstände, die ein Leben schwierig machen, kann und wird sich das Unberechenbare Gottes seine Bahn brechen. Dabei ist Ostern mehr als eine „self-fulfilling prophecy“. Es ist eine innere Wandlung.
Ein authentischer Zeuge in Bezug auf Ostern ist der Apostel Paulus, der eine Erfahrung machte, die sein ganzes Leben veränderte. Er hat den Auferstanden erlebt als eine innere Erfahrung. Als eine Beziehungserfahrung. Seine Gottesbeziehung wird danach so stark, dass er eine innere Wandlung durchlebt und sich vom Christenverfolger zum Völkerapostel verändert. Diese innere Wandlung drückt sich in der Umkehrung der Logiken der Welt aus. Sie lässt uns tun, was vernünftige Menschen vielleicht nicht tun würden. Sie lässt erkennen, was anderen verborgen bliebt und sie stellt Wertkonzepte und Alltagsgewohnheiten auf den Kopf.
Glaube macht dann Mut zur Liebe, wenn wir aus der Logik ausbrechen, nur den zu lieben und zu „mögen“, der auch uns mag. Das heißt, den Mut haben jenen Gutes tun, die wir nicht leiden können. Glaube macht dann Mut zur Liebe, wenn wir ein größeres Ziel haben als uns selbst, und wenn wir zur Liebe unseren Wohlfühlbereich überwinden müssen.
Österliche Menschen bleiben an der größeren Hoffnung für Mensch und Welt dran. Die jüdische Schriftstellerin Ilse Aichinger zeigt in ihrem Buch „Die größere Hoffnung“ genau in diese Richtung: Schlimme Umstände als jene Momente zu begreifen, die den Augenblick übersteigen und in eine noch nicht verstehbare, aber sichere Zukunft heben: „Das heißt, auf der geduldigen, aber niemals einschläfernden Suche bleiben, die Freude immer erhoffen, aber diese Hoffnung nie bestechlich werden zu lassen.“ Ostern ist der Aufstand Gottes gegen das Ende.
Wenn Christinnen und Christen davon sprechen, dass das Leben siegt, dann meinen sie genau das: der Protest gegen den Tod bleibt für den Glaubenden nicht folgenlos, weil sie mit Gott rechnen. Das gilt umso mehr für das Stille und Unscheinbare des Lebens: „Seht, ich wirke Neues! Es wächst schon auf. Merkt ihr es nicht?“(Jesaja).
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