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Avranches. Kürzlich begann in Cerisy-la-Salle in der Normandie eine fünftägige wissenschaftliche Konferenz über die Klosterinsel Mont Saint-Michel. Sie gehört zum Weltkulturerbe. Anlass ist der Baubeginn der heutigen ursprünglich siebenjochigen Abteikirche damals vor 1.000 Jahren. Nach Angaben der Veranstalter ist das Kolloquium die größte interdiziplinäre Konferenz zum Thema Mont Saint-Michel seit 1966. Die Themen stammen etwa aus Geschichte, Kunstgeschichte, Denkmalschutz, Archäologie und Literatur-, Bibliotheks- und Museumswissenschaften. Arbeitssprache der internationalen Konferenz ist Französisch.
Der Mont Saint-Michel nahe der Grenze zwischen Normandie und Bretagne ist ein einzigartiges Denkmal mittelalterlicher Kloster- und Festungsarchitektur; er gehört zum Weltkulturerbe der Unesco. Jährlich kommen rund drei Millionen Besucher zu der einstigen Klosterinsel, die seit 1879 durch einen Damm mit dem Festland verbunden war. Durch Ablagerungen versandeten über Jahrzehnte jährlich 200 Hektar der Bucht. Daher wurde zwischen 1995 und 2015 mit umfassenden Bauarbeiten der Inselcharakter des Mont Saint-Michel wiederhergestellt.
Der Legende nach war der Ort schon im sechsten Jahrhundert von einem Einsiedler bewohnt. Die Anfänge des Klosters gehen angeblich auf das Jahr 708 zurück. Der Erzengel Michael habe den damaligen Bischof von Avranches im Traum angewiesen, auf einem ehemaligen Totenberg der Kelten eine Kirche für zwölf Kanoniker zu errichten. Der Berg wurde Michaelsberg genannt. Die Priester wurden 966 durch 30 Benediktiner aus dem Reformkloster Saint Wandrille ersetzt.
Im Hochmittelalter entwickelte sich die Benediktinerabtei zur meistbesuchten Wallfahrtsstätte Frankreichs nach dem Grab des heiligen Martin in Tours. Nach der Zerstörung im Zuge der französischen Eroberung der Normandie gelang zu Beginn des 13. Jahrhunderts der Wiederaufbau als eines der architektonischen und logistischen Meisterwerke des Mittelalters: zwei dreigeschossige gotische Gebäude entstanden, 1228 gekrönt von einem Kreuzgang mit 227 Säulen.
Nach Jahrhunderten geistlichen und baulichen Niedergangs machte König Ludwig XVI. Teile des Klosters zum Staatsgefängnis; Revolutionstruppen setzten dem religiösen Leben 1790 ein Ende. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts blieb der Mont Saint-Michel Haftanstalt und wurde danach zum Objekt romantischen Schwärmertums und schließlich des Massentourismus. Seit 1874 steht er unter Denkmalschutz. Seit 1966 wohnen dort wieder Ordensleute: zunächst Benediktiner, seit 2001 die Fraternite Monastique de Jerusalem.
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