RB: Mit welchen Eindrücken sind Sie zurückgekommen?
Johannes Dines: Wir haben Not und Elend erlebt, die wir uns in Salzburg nicht vorstellen können. Mütter, die mit ihren Kindern in Kammern hausen. Felder, die brachliegen und nicht mehr bewirtschaftet werden. Häuser, die verfallen, weil nicht einmal das Geld für Werkzeug zum Reparieren da ist. Wir haben gesehen, wie Familien in Wohnungen ohne Fenster, Kühlschrank oder Dusche leben. Kinder müssen hungern. Aber es gab auch Lichtblicke. Wir besuchten im Libanon zwei Schulen, in denen Kinder, die sonst keine Bildung bekommen würden, lesen, schreiben und rechnen lernen. In Syrien trafen wir einen Bauern und eine Handwerkerin, die sich mit Unterstützung der Caritas wieder eine Lebensgrundlage aufbauen konnten.
RB: Diese Not mit den eigenen Augen zu sehen – was hat das ausgelöst?
Dines: Es löste zwei Gefühle in mir aus: unfassbare Betroffenheit über das Leid der Bevölkerung auf der einen Seite und tiefe Bewunderung für ihre Ausdauer auf der anderen Seite. Denn jeden Tag stehen sie wieder auf. Und wir als Caritas stehen hinter ihnen.
RB: Hunger, Armut und Vertreibung betreffen Millionen Menschen weltweit. Die humanitäre Lage scheint sich auch gerade in Syrien und im Libanon immer weiter zu verschlimmern?
Dines: Wo nichts wächst, können Menschen nicht überleben. Dass auf der Welt hunderte Millionen Hunger leiden müssen, ist unbegreiflich, aber leider wahr. Politische und wirtschaftliche Krisen sowie der Klimawandel verschlimmern die Situation weiter. Wenn es selbst an Essen mangelt, sind jegliche Zukunftschancen mager.
In Syrien und im Libanon herrschen seit Jahren unterschiedliche „Dürrezeiten“. In Syrien etwa gibt es viele unfruchtbare Felder, weil die Bevölkerung vertrieben wurde. Im Februar traf die Menschen dort mit dem Erdbeben ein weiterer Schlag. Es ist schwierig, für dieses Leid Worte zu finden. Sehr wohl beschreiben kann ich, was unsere Hilfe vor Ort mit den Menschen macht: Sie ist wie Wasser, das Leben schenkt. Dass die Welt nicht auf sie vergessen hat und wir an ihrer Seite stehen, treibt die Menschen an, weiterzumachen.
RB: Was tut die Caritas konkret?
Dines: Wir setzen ganz stark darauf, den Menschen vor Ort zu helfen. Einerseits mit Projekten für Kinder – hier haben wir zum Beispiel im Libanon zwei Schulen und in Syrien eine Kinderkrippe. Rund 4.000 Kinder in beiden Ländern können wir mit den Spenden aus Salzburg und dem Tiroler Unterland unter die Arme greifen. Unser zweiter Schwerpunkt ist der Aufbau von Lebensgrundlagen. So unterstützen wir Menschen finanziell, damit sie ein Handwerk, ein kleines Unternehmen oder ein Geschäft aufbauen können. 35.000 Menschen profitieren jedes Jahr davon.
RB: Die Caritas braucht zur Finanzierung ihrer Auslandsprojekte Spenden. Was sagen Sie Menschen, die auf die Not im Inland verweisen. Auch in Österreich nimmt die Armut zu, Leute können sich Essen, Heizen oder Wohnen nicht mehr leisten.
Dines: Als Caritas helfen wir zum einen ganz stark im Gebiet der Erzdiözese Salzburg, sei es mit Sozialberatung, finanzieller Unterstützung, mit Projekten für Menschen mit Behinderung oder Frauen in Notsituationen. Unser zweiter Lungenflügel ist die Hilfe im Ausland. Es geht hier nicht um ein Entweder-oder, sondern um ein Sowohl-als-auch.
Als Caritas strecken wir unsere Hände aus und handeln. Weil jedes Leben, jeder Mensch zählt. Die Caritas versorgt in ihren Projekten tausende Menschen mit Essen, ermöglicht ihnen Bildung und unterstützt sie beim (Wieder-)Aufbau einer Existenz in ihrer Heimat. All das schaffen wir nur gemeinsam – mit Spenden aus der Erzdiözese. Mit vereinten Kräften verändern wir viele Leben zum Positiven.
Kampf gegen Hunger
Die Caritas Salzburg konzentriert sich bei ihrer jährlichen Sommer-Sammlung gegen den Hunger auf den Nahen Osten. Im Bürgerkriegsland Syrien etwa leben 90 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Im Libanon haben 41 Prozent der Haushalte nicht genug zu essen. Die Caritas unterstützt auf unterschiedliche Weise: mit sicheren Unterkünften, Nahrung und medizinischer Versorgung, aber auch mit Bildungsangeboten. Seit 2011 erhielten mehr als 223.000 Menschen im Nahen Osten konkrete Hilfe von der Caritas und ihren lokalen Partnern.
Infos und Spenden: caritas-salzburg.at
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