Rom. „Auf dieser Dachterrasse habe ich schon meinen 20. Geburtstag gefeiert!“, schwärmt Rektor Michael Max. Die Gäste aus Österreich hat er gerade durch das jahrhundertealte Gebäude des Priesterkollegs Santa Maria dell’Anima in der Altstadt von Rom geführt. Über viele Stufen sind sie ihm gefolgt, um schließlich durch einen verwinkelten Gang hinaustreten zu können in das sanfte Licht des Sonnenuntergangs. Über die Geschichte des traditionsreichen Hauses scheint der mittlerweile 52-Jährige ausnahmslos alles zu wissen. Jedenfalls gibt es während seiner ausführlichen Erzählung keine Zwischenfrage, die er nicht umfassend beantworten könnte. Auch er selbst hat eine reiche Geschichte mit der Anima.
Bereits während des Grundstudiums der Theologie in Salzburg durfte er ein Auslandsjahr als Seminarist in Rom verbringen und im Priesterkolleg mitleben – ausnahmsweise, wie er betont. Zehn Jahre später zog es ihn wieder in die Ewige Stadt, diesmal zum Doktoratsstudium der Liturgiewissenschaft an der Benediktinerhochschule Sant’Anselmo. Gewohnt hat er – wie könnte es anders sein – in der Anima. „Wenn Sie einmal in Rom waren, dann bleiben Verbindungen, dann kommen Sie wieder, dann entstehen Freundschaften, die Sie pflegen. So war das auch bei mir. Ich war gefühlt nie ganz weg“, blickt Michael Max zurück auf die Jahre zwischen 2005 und 2020. In diesen Jahren wirkte er als Pfarrer am Salzburger Wallersee, war Feuerwehrkurat, Liturgiereferent der Erzdiözese, geistlicher Assistent der Katholischen Frauenbewegung, Rektor des Bildungszentrums St. Virgil und sogar Präsident des Europäischen Priesterrats. Als ihn 2019 der Ruf ereilte, ab 2020 dem Päpstlichen Institut Santa Maria dell’Anima in Rom als Rektor vorzustehen, kam das nicht sehr überraschend.
Wenn Sie einmal in Rom waren, bleiben Verbindungen.
Umso überraschender kam die Corona-Pandemie, während der er seinen Dienst schließlich antrat. „Für die Einarbeitung in der Pandemiezeit war es sicher ein Vorteil, dass ich das Haus schon gut kannte. Die Herausforderungen waren groß.“
Zum Päpstlichen Institut Santa Maria dell’Anima gehört nicht nur das Priesterkolleg, sondern auch die deutschsprachige katholische Seelsorge in Rom. „Es freut mich sehr, dass die Anima ein reges Pfarrleben hat“, sagt Rektor Max, der von Herzen gerne Seelsorger ist. Es verbindet ihn mit seiner Herkunft aus Gmunden am Traunsee. „Ich bin in einer sehr lebendigen Pfarre großgeworden, klassisch nachkonziliar katholisch sozialisiert, pfarrlich aktiv, mit Ministranten und Jungschar und allem, was dazugehört – das übliche Curriculum eines Oberösterreichers.“
Warum aus dem Oberösterreicher ein Priester der Erzdiözese Salzburg geworden ist? „Das Salzkammergut hat eine gewisse kulturelle Nähe zum Salzburger Land. Meine Schwester hat ein Jahr vor mir in Salzburg Theologie zu studieren begonnen.“ Michael Max begann daher sein Studium als Laientheologe in Salzburg und interessierte sich bald für das Linzer Priesterseminar. „Ich war aber durch das Studium und den Freundeskreis schon so mit Salzburg verbunden, dass ich mit Herzklopfen gefragt habe, ob ich nicht in Salzburg bleiben kann. Der Linzer Spiritual, damals Manfred Scheuer, meinte lächelnd, dass er sich das eh schon gedacht hat. Also bin ich geblieben.“
Salzburg wird auch „Rom des Nordens“ genannt (auch wenn es sich diese Beschreibung mit Städten wie Vilnius, Trier oder Bremen teilt). Im Leben von Michael Max spielen jedenfalls beide Städte eine große Rolle. „Und wenn man dann noch am Traunsee zuhause ist, verbindet man eigentlich eh alle Schönheiten dieser Welt.“
Was Michael Max als Seminarist und später als Priester nach Rom gezogen hat, war auch die Internationalität der Stadt. „So einen weltkirchlichen Ort wie Rom gibt es kein zweites Mal. Hier ist man immer mit Kollegen, Priestern, Studenten, zum Teil auch Studentinnen aus der ganzen Welt zusammen, das bringt ein Studium in Rom mit sich.“ Diese Erfahrung verändert auch den Blick auf die Weltkirche, bestätigt Rektor Max.
Weltkirche entsteht und lebt im Dialog zwischen Zentrum und Peripherie.
„Der Blick wird weiter, vielfältiger. Und irgendwann merken Sie, warum diese Weltkirche ein Zentrum braucht. Das hat sie im Nachfolger des heiligen Petrus. Ohne Zentrum geht es nicht.“ Im selben Atemzug merkt er an, dass Rom nicht die Weltkirche ist. „Was tut das Zentrum ohne die Peripherie? Dann wäre es eine ‚Bubble‘. Und was tut die Peripherie ohne Zentrum? Sie wäre halt irgendein Teil neben tausend anderen.“
Weltkirche entsteht und ereignet sich und lebt im Dialog zwischen Zentrum und Peripherie, erklärt Michael Max. „Deswegen bin ich froh, in mir beides zu haben. Die oberösterreichisch-salzburgische Grundsozialisierung – die anders ist als bei jemandem aus Lateinamerika oder Kroatien oder Stockholm – und die sehr lebendige Erfahrung vom Zentrum.“
In diesem Zentrum tut sich gerade viel. Immer wieder kommt der Anima-Rektor mit Verantwortlichen in Kontakt, die sich mit dem weltweiten Synodalen Prozess beschäftigen. „Ich merke, dass es natürlich nicht nur eine Idee von Papst Franziskus ist. Es gibt flankierende Maßnahmen, Strukturen, es gibt eine Hintergrundbewegung, die daran arbeitet, die Idee und Methodik der Synode zu entwickeln und umzusetzen. Das Instrumentum laboris ist ja komplett anders als alles vorher.“
Es wird eine Fahrt ins Weite, aber das Schiff ist gut gebaut. Das geht nicht unter!
Voraussichtlich werden die Teilnehmenden bei der Weltsynode im Oktober an runden Tischen sitzen statt in Kinobestuhlung hintereinander. „Das muss alles vorbereitet und methodisch reflektiert werden. Es geschieht sehr qualitätvoll und hochprofessionell, da muss ich wirklich den Hut ziehen.“
Rektor Max ist davon überzeugt, dass diese Synode das erste weltkirchliche Ereignis in der Methodik des II. Vatikanums ist. „Nach einem Konzil haben Sie zwar die Ergebnisse, Schriften und Dokumente, aber Sie haben immer noch die Methodik und Mentalität von vor dem Konzil. Da kann man nicht einfach den Schalter umlegen.“ Jetzt sei das Konzil wirklich angekommen. „Und wenn mich jemand fragt, wie das gehen soll, sage ich nur: Lasst euch überraschen! Es wird eine Fahrt ins Weite, aber das Schiff ist gut gebaut. Das geht nicht unter!“
Die Sonne ist inzwischen untergegangen, und die Dachterrasse der Anima wird nur noch schwach von zwei Kerzen beleuchtet. Der Wein ist ausgetrunken, die Gäste verabschieden sich. Ob der Rektor jemals wieder hier wegwill? „Die Bestimmung habe ich für sechs Jahre, danach kann sie einmal um weitere sechs Jahre verlängert werden. Mein Vorgänger war zwölf Jahre hier. Ich bin wahnsinnig gerne da und bleibe auch gerne, so lang es geht.“ Man glaubt es ihm aufs Wort.
Die Anima
Ihr vollständiger Name ist „Päpstliches Institut Santa Maria dell’Anima“. Sie besteht aus zwei Hauptkomponenten – der deutschsprachigen katholischen Pfarrgemeinde in Rom und einem internationalen Priesterkolleg.
Im Kolleg wohnen bis zu 20 Priester deutscher Muttersprache oder mit guten Deutschkenntnissen, die meist ein Doktoratsstudium an einer römischen Universität machen.
Der Rektor des Kollegs ist auch Pfarrer der deutschsprachigen Gemeinde. Außerdem ist die Anima Anlaufstelle für Deutschsprachige, die nach Rom pilgern. Seit 1350 unterstützt eine Bruderschaft die Anima.
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