Ganze 20 Jahre schon lebt Markus Bugnyár in Israel. Doch Tage wie die seit dem 7. Oktober hat der burgenländische Priester in seinen zwei Jahrzehnten im Heiligen Land noch nicht erlebt. „Am Anfang dachte ich, die Sirenen hätten etwas mit dem Laubhüttenfest zu tun, das im vollen Gange war. An jüdischen Feiertagen sind nämlich oft Sirenen zu hören, die zum Gebet aufrufen“, sagt Bugnyár über den Tag, an dem die Hamas ihren Terrorangriff auf Israel starteten.
Als Rektor des Österreichischen Hospiz in der Jerusalemer Altstadt ist er reges Treiben gewohnt. Die katholische Pilgerherberge im K.u.K.-Stil liegt an der Via Dolorosa – Touristenströme sind vorprogrammiert. Doch dieser Tage ist die Unterkunft fast leer.
„Auch auf Jerusalem haben die Hamas Raketen abgefeuert, aber die Stadt steht nicht im Fokus der Angriffe“, so Bugnyár. Der Grund: Neben der jüdischen Klagemauer und der christlichen Grabeskirche steht in Jerusalem auch der muslimische Felsendom – den die Hamas natürlich schützen wollen.
Trotzdem, fast alle Gäste haben das Hospiz aufgrund der aktuellen Lage verlassen. Normalerweise leben auch einige Volontäre hier, die im Haus mithelfen, „aber nun haben alle bis auf zwei junge Männer um Evakuierung nach Österreich gebeten. Das ist verständlich. Die Eltern daheim sorgen sich und möchten natürlich, dass ihre Kinder unbeschadet in die Heimat zurückkehren“, erzählt der gebürtige Burgenländer.
Bis dato verzeichnet das Gästehaus aufgrund von Stornierungen einen finanziellen Verlust von knapp 360.000 Euro. Sollten auch für den November Absagen folgen, wovon Bugnyár ausgeht, wird sich der Schaden verdoppeln.
Apropos Finanzen: Dass sowohl im Gazastreifen als auch in der Westbank viel Geld liegt, ist gewiss, sagt der Rektor. Nur liege es in den falschen Händen; Korruption stehe in der palästinensischen Gesellschaft an der Tagesordnung. „Es ist in einer ersten Reaktion verständlich, dass manche EU-Länder nun ihre Unterstützung für die Palästinenser-Gebiete einfrieren wollen. Man muss aber auch die Reaktionen darauf im Blick haben. Dies wird dazu führen, dass auch jene Frauen und Männer in den betroffenen Gebieten, die eigentlich gegen den Krieg sind, in den Extremismus getrieben werden. Alles, was sie sehen ist: Der Westen lässt uns im Stich.“
Wie ist nun die aktuelle Stimmung in der Heiligen Stadt? Bugnyár: „Ruhiger, es wird selbstverständlich mehr auf den Straßen kontrolliert. Wir warten nun alle auf die israelische Bodenoffensive; darauf, wie die Hisbollah im Norden, wie der Iran und die Palästinenser in der Westbank reagieren werden.“
Der kleinen Hausgemeinschaft im Hospiz, bestehend aus Bugnyár und den verbliebenen Volontären, geht es den Umständen entsprechend gut. Ein befreundetes Ehepaar musste das Land verlassen, das Haustier des Paares konnte allerdings nicht mitreisen. Nun sorgt seit einigen Tagen die zehnjährige Hündin Emma für heitere Momente unter den Zurückgebliebenen im Hospiz.
Bugnyár: „Ich bin gespannt, was hier in Jerusalem geschehen wird“, sagt der Rektor. „Insgesamt fühlen sich die Menschen in der Altstadt sicher. Ich bin davon überzeugt, dass eher der Messias wiederkommt, als dass die Stadt zerbombt wird.“
Das Einfrieren von EU-Geldern sieht Rektor Markus Bugnyár im aktuellen Konflikt kritisch.
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