RB: Die ganze Welt schaut auf Israel. Wie haben Sie die vergangenen Wochen wahrgenommen?
Sr. Katharina Fuchs: Es war wirklich ein Schock, als uns am 7. Oktober morgens die Nachrichten erreichten. Eine unserer Schwestern kam erst am Vorabend in Bethlehem an, da sie ihre Familie besuchen wollte. Nur mit großen Schwierigkeiten und unter Gefahr konnte sie zurückkommen. Hier in Nazareth ist es soweit ruhig, aber sehr angespannt. Die Krisenherde im Süden wie Tel Aviv und Gaza sowie im Norden an der Grenze zum Libanon sind etwas von uns entfernt. Das heißt, es gibt keine Raketen. Wir sind also nicht unmittelbar in Gefahr. Aber viele Flugzeuge sind am Himmel. Nazareth ist ein vorwiegend arabisch-israelisches Gebiet. Bis jetzt halten sich die israelischen Araber von den Kämpfen und mit Kommentaren zurück, um nicht selber in Schwierigkeiten zu kommen.
RB: Können Sie uns beschreiben, wie sich der Alltag seit Kriegsbeginn verändert hat?
Sr. Katharina Fuchs: Ich bin in Nazareth. Im Inneren des Landes geht das Leben weiter, wenngleich viele Sicherheitsmaßnahmen getroffen wurden. Die Schulen sind geschlossen, Menschen decken sich mit Vorräten sein, alle öffentlichen Veranstaltungen sind untersagt und vor allem müssen wir für passende Schutzräume sorgen. In unserem Altenheim, das sich im alten Gebäude etwas abseits von den anderen Abteilungen befindet, ist es sehr schwierig, die Menschen zu schützen.
RB: Gab es jemals eine ähnliche Situation? Sie leben und arbeiten seit Jahrzehnten im Nahen Osten.
Sr. Katharina Fuchs: Ich habe schon mehrere Kriege im Libanon und in Israel erlebt. Jedes Mal war es anders und zum Glück waren wir zumeist nicht mitten im Konfliktgebiet. Dieses Mal besteht die Gefahr, dass es sich noch mehr auf das ganze Land, den Vorderen Orient und vielleicht zu einem neuen Weltkrieg entwickelt. In den vergangenen Tagen scheint es, dass doch Verhandlungen und internationale Hilfe ermöglicht werden können. Die Einfuhr von Hilfsgütern über die ägyptische Grenze sind kleine Hoffnungsschimmer. Mein Herz klopft und bangt für die Armen und alle Unschuldigen dieses Konfliktes: die israelischen Geiseln, die irgendwo im Untergrund auf ihr unsicheres Los warten müssen und für die Bewohner von Gaza, die alles verlassen mussten und denen es nun an allem mangelt.
Eine unserer Mitschwestern besucht schon seit Jahren regelmäßig Gaza und hilft dort Kranken, Armen und Kindern. Sie erhielt ein kurzes Lebenszeichen von ihrer Mitarbeiterin, die sich unter der Schar der Flüchtlinge befindet. Ihr Bericht ist herzzerreißend. „Kein Wort kann unsere Situation beschreiben ... Es gibt nichts zu essen, keinen Strom, kein Wasser, kein Platz im Krankenhaus, es ist kein Leben hier ...“
RB: Sie haben in einem früheren Rupertusblatt-Interview von jüdischen, muslimischen und christlichen Patienten und Mitarbeitern berichtet. Wie ist es um dieses Miteinander aktuell bestellt?
Sr. Katharina Fuchs: Im Grunde läuft zwischen den Mitarbeitern und Patienten verschiedener Religion und Herkunft alles friedlich ab. Wir versuchen aber auch möglichst wenig Bemerkungen über die Ereignisse und die verschiedenen Meinungen zu machen.
RB: Ist Frieden in diesen Tagen so weit entfernt wie nie zuvor? Was gibt Ihnen Hoffnung?
Sr. Katharina Fuchs: Mit Gottes Hilfe ist alles möglich. Die Gebete um den Frieden finden auf der gesamten Welt statt. Dazu kommt, zahlreiche Regierungen und Hilfsorganisationen bemühen sich, einen dauerhaften Frieden zu schaffen. Es könnte sogar der Anfang eines guten Endes sein, wo alle Bewohnerinnen und Bewohner dieser Region ihr eigenes Land und ihre Regierung haben und in Frieden und Eintracht leben dürfen.
Hintergrund
Schwester Katharina Fuchs, geb. 1943, kommt aus Hopfgarten. Die Schwester v. Hl. Vinzenz v. Paul (TchrL) war von 1971 bis 2002 im Libanon und danach in Haifa und Nazareth in Israel. Seit vier Jahren ist sie in einem Mutter-und-Kind-Spital. „Wir haben auch ein Altersheim für 30 alte schwerstbehinderte Menschen, die ihre letzte Lebensphase bei uns verbringen können. Es freut mich, dass ich dort noch ein wenig mithelfen kann.“
Für die Opfer des Krieges bittet die Ordensfrau um Spenden: „Damit sich die Betroffenen ein neues Leben, eine neue Existenz aufbauen können.“
Spenden: BIC: IDBLILITXXX; IBAN: IL65 0110 9300 0002 2049 551; Kennwort: French Hospital, Nazareth
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